0766 - Teuflisches Intrigenspiel
Ernesto bekam kaum den Mund zu.
Dabei war er Trouble gewöhnt. Mindestens zwei Menschen hatte der Achtzehnjährige bereits aus den Schuhen geblasen. Das wusste man bei einer Gang-Ballerei niemals so genau. Auf jeden Fall hatten die Cops ihn bisher nicht gekrallt.
Und das sollte auch so bleiben. Ernesto kam sich verdammt clever vor. Und er war es ja auch wirklich. Wer es schaffte, in den Gettos von East L.A. achtzehn Jahre alt zu werden, musste einen starken Überlebenstrieb haben. Wer lebte, hatte Recht. Und wer starb, war ein Loser.
Auf diese beiden Sätze beschränkte sich Emestos Lebensphilosophie. Mehr musste er nicht lernen, seit er im zarten Alter von fünfzehn Jahren der Highschool für immer den Rücken gekehrt hatte.
Doch an diesem Tag hörte er nicht auf seinen Überlebensinstinkt. Er ignorierte die innere Stimme, die ihm dringend riet, das Gaspedal bis zum Bodenblech durchzutreten.
Stattdessen ließ er den Wagen langsamer rollen, bis er zum Stehen kam. Er kurbelte die Fensterscheibe an der Beifahrerseite runter. Und ließ sein schönstes Aufreißerlächeln sehen.
»Das war riskant, chica! Wenn ich nicht so ein Superfahrer wäre, hätte ich dich glatt umgemangelt…«
»War gerade in Gedanken«, erklärte das Girl. »Wo fährt denn hier der Bus nach South Pasadena?«
Ernesto starrte sie an, als ob sie den Verstand verloren hätte. »Den Bus willst du nehmen? Diese stinkende Blechbüchse, voll mit Verrückten und Wichsern? Dabei wartet dein Taxi schon hier!«
»Mein Taxi?«
Stellte sich die Süße nur dumm oder hatte sie wirklich den IQ von Knäckebrot? Na, wenn schon!, dachte Ernesto zynisch. Dann wird es auch nicht so schwer, sie flachzulegen…
Er klopfte auf den Beifahrersitz neben sich.
»Welches Taxi werde ich schon meinen? Hüpf rein, Süße!«
Aus der Nähe bemerkte Ernesto erst richtig, was für einen Glückstreffer er gelandet hatte. Diese Kleine hatte eine atemberaubende Fohlenfigur, die von ihrem Supermini und ihrem Top kaum verdeckt wurde. Unendlich lange Beine, steile Brüste und ein Gesicht wie ein Supermodel. Und diese Teufelshörner auf der Stirn waren auch verschwunden.
Hab ich mir nur eingebildet!, war sich Ernesto nun sicher. Wahrscheinlich hatte er sich in letzter Zeit zu viele Drogen eingepfiffen. Da konnte man schon mal Dinge sehen, die es überhaupt nicht gab.
Die Braut schlug die Beine übereinander.
Ernesto kam aus dem Glotzen nicht heraus. Zum Glück fuhr er soeben auf den Long Beach Freeway, eine der zahlreichen Stadtautobahnen von Los Angeles. Da konnte er sich mit dem Verkehr treiben lassen und musste nur geradeaus lenken.
»Ich heiße übrigens Stygia, Ernesto.«
»Hey, cooler Name.« Aber dann wurde der Homeboy plötzlich misstrauisch. »Hey, woher kennst du meinen Namen? Den hab ich doch noch gar nicht verraten!«
»Du merkst aber auch alles.«
Ihre Stimme klang nun nicht mehr einschmeichelnd, sondern eiskalt und knallhart. Beinahe nicht mehr menschlich…
Ernesto tastete nach der Wumme, die er unter dem Fahrersitz versteckt hatte.
»Haben die verdammten Wheelers dich auf mich angesetzt? Aber du bist doch gar keine Niggerbraut, du…«
»Lass dein Schießeisen stecken, sonst tust du dir noch weh. Und eure albernen Bandenkriege interessieren mich einen feuchten Dreck!«
Das sah Ernesto natürlich anders. Er hatte bisher immer überlebt, weil er die Gangschlachten verflucht ernst genommen hatte. Momentan befand sich seine Bande, die Bernadinos, im Krieg mit der schwarzen Gang der Wheelers. Woher konnte dieses Girl seinen Namen sonst kennen? War sie vielleicht sogar eine Bullenpuppe?
Jedenfalls richtete er mit links seine Bleispritze auf sie, während die rechte Hand weiterhin das Lenkrad hielt. Emestos Waffe war eine Ruger KP 90-Pistole. Nichts Besonderes, aber eine gute Lebensversicherung für ein durchschnittliches Gangmitglied wie ihn. Die Kanone hatte sieben Patronen im Magazin. Dank ihres Entspannhebels war sie immer schussbereit.
Doch das nutzte dem Homeboy jetzt überhaupt nichts.
Stygia richtete nur ihren Zeigefinger auf ihn. Und seine Pistole wurde unbarmherzig zur Seite gebogen, als ob ein unsichtbarer Riese den Lauf umklammert hätte.
Emestos Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen. Wenn er nicht ein gebrochenes Handgelenk riskieren wollte, musste er loslassen. Und das tat er auch. Dabei verriss er das Lenkrad. Ernestos Karre schlingerte. Ein Truckdriver hupte wütend und erschrocken. Doch Stygia fasste ins Lenkrad und brachte den Camaro
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