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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
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für Liebesabenteuer leicht zu gewinnen. Im Sinn von Zucht und Ordnung hatte sie ein Ballett aus Landeskindern aufbauen lassen. Um die Keuschheit der Mädchen zu verteidigen, gab es die Anordnung, dass die jungen Frau von ihren Eltern zum Unterricht geleitet werden und abgeholt werden mussten. Darüber hinaus war vor dem Eingang des Tanzsaals eine Schildwache positioniert. Die Verbindungstüre, die zu dem Raum des Malers führte, hatte unter allen Umständen verschlossen zu sein. Natürlich hatte Mannlich niemandem verraten, dass er sich heimlich einen Schlüssel für die Tür besorgt hatte.
    Wenn ihm danach war, öffnete er die Türe am Morgen einen Spalt und brauchte nicht lange zu warten, bis eine neugierige Tänzerin ihren Kopf hereinstreckte, die er auf eine Tasse Schokolade einladen konnte.
    Heute war dafür freilich keine Zeit. Der Kurfürst hatte sich angemeldet, um den Entstehungsprozess des Gemäldes zu begutachten. Mannlich wusste es zu schätzen, dass Carl Theodor ihn aufsuchte. Wenn der Herrscher sich in einen Sessel setzte und die Porträtskizze seiner verstorbenen Liebe betrachtete, kam auch Mannlich ins Grübeln. Es erstaunte ihn regelmäßig, wie sehr der Fürst sich in das Bild vertiefen konnte; welche Rührung es in ihm hervorrief. Da wurde es Mannlich jedes Mal bewusst: Sein Fürst verstand es wahrlich zu lieben. Er war nicht wie die ihm ebenbürtigen Fürsten und die anderen Großen auf der Erde, die bestenfalls fürchten mussten, ein Gefühl der Langeweile bei ihren einfach erworbenen Liebeleien zu empfinden. Nein, Carl Theodor konnte wirklich lieben.
    Vielleicht, war der Fürst nur nicht für seine Rolle als Herrscher geschaffen, in der man hart und eigensinnig sein musste und vor keinem Krieg zurückschrecken durfte. Carl Theodor hatte sich bisher aus allen Feldzügen herausgehalten.
    Ein Schlüssel drehte sich in der Tür, die zum Korridor führte, und Mannlich ließ den Pinsel sinken. Der Kurfürst betrat das Zimmer. Er grüßte Mannlich nicht mit Worten, nur mit einem flüchtigen Nicken. Der Maler erhob sich und verbeugte sich, doch Carl Theodor beachtete ihn nicht mehr. Er hatte sich auf seinen Sitz fallen lassen und starrte das Bild an.
    Mannlich blickte ihn an. Sollte er den Fürsten auf die Träne hinweisen, die dessen Wange entlangrollte? Unsicher wandte er sich dem Porträt zu und erschrak. Dort, wo eben sein Pinsel entlanggefahren war, waren Farbspritzer auf dem Gemälde. Er musste sich auf seine Arbeit konzentrieren.
    »Das ist schön.« Die Stimme des Kurfürsten drang wie ein Windhauch an sein Ohr und er zuckte zusammen. Wieder ein Klecks.
    Mannlich legte die Malutensilien zur Seite, erst danach drehte er sich zu dem Fürsten.
    »Wirklich schön«, wiederholte dieser, ins Nichts blickend. Dann wandte er sich dem Maler zu. Die Träne tropfte von seiner Nasenspitze, zog in einer Bahn über den Mund. Der Fürst beachtete sie nicht.
    »Und jetzt, mein Lieber, habe ich Ihnen Anweisungen mitgebracht, was Sie auf die Tischplatte neben die Dame abbilden sollen.«
    Er begann seine Aufzählung und sank im Sessel zusammen.

Fünftes Kapitel
     
    15. Juli 1788
    Neckargemünd
    Jean Philippe war nervös. Wenn seine Unternehmung misslang, würde es ihn den Kopf kosten.
    Um ihn herum grölte und jubelte das betrunkene Volk. Mindestens zehntausend waren es, die zu dem Spektakel gekommen waren. Verwunderlich war das nicht, die Kurpfälzer waren untröstlich gewesen, als Carl Theodor Bayern geerbt hatte und mit seinem Hofstaat nach München umgesiedelt war. Umso euphorischer waren sie, wenn er zu ihnen zurückkehrte, und sei es nur für einen kurzen Besuch. Der Kurfürst wusste, wie er seine geliebten Pfälzer bei Laune halten konnte. Man munkelte, die heutige Prunkjagd wäre die teuerste, die er je abgehalten hatte. Dabei hatte die letzte bereits die exorbitante Summe von 50.000 Gulden verschlungen.
    Jean Philippe war dieser despotische Verschwendungswahn zuwider. Eine neue Zeit brach an. In Frankreich machten die Bürger es vor. Nicht mehr lange, und die deutschen Herrscher würden nichts mehr zu lachen haben. Die selbst ernannten Götter auf Erden würden untergehen. Und er würde den ersten Schritt tun.
    Sein Herz begann zu rasen, als er daran dachte. Er, der unterwürfige Dienstbote, als Speerspitze der Revolution! Er bekreuzigte sich – und das, obwohl er gelernt hatte, dass er an nichts mehr glauben musste als an den Menschen.
    Er war so hochgestimmt und aufgeregt, dass ihn nicht einmal all

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