Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
im Hause Belier, schnellte durch die Tür, ihre kleinen schwarzen Locken wirbelten um ihren Kopf. Sie brachte kalte Luft mit herein. Ihre Miene hellte sich auf, als sie Hedwig sah, die Wangen gerötet vom Laufen und der Erregung. Sie drehte sich um sich selbst, griff nach den Enden ihres wollenen Umhangtuches und schwang es mit ausgestreckten Armen über dem Kopf. Sie lachte und summte. Dann hielt sie inne und blitzte Hedwig mit ihren großen schwarzen Augen an.
Hedwig verschränkte die Arme vor der Brust und unterdrückte das Grinsen.
Appel stapfte trotzig mit dem Fuß auf. „Nun frag schon!“, befahl sie.
Hedwig zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Welcher also?“
Wieder stapfte Appel mit dem Fuß. „Dummes, niederträchtiges Weib! Nicht
welcher! Wann
!“
„Also gut.
Wann
triffst du
welchen
deiner unzähligen Verehrer?“
„Oh du Schändliche! Da eile ich mich, um es dir zu erzählen, bevor du nach Hause gehst, und du, du hast nichts Besseres im Sinn, als mich zu … zu …“
„Zu?“
„Zu beleidigen!“
„Aber Appel! Jeden Tag nennst du mir einen anderen Namen, wie soll ich mir die alle merken?“ Vorsichtshalber duckte sie sich. Und richtig, in gespieltem Zorn ließ Appel das Umhangtuch in Hedwigs Richtung schwingen.
„Ach du!“, schmollte ihre Kollegin.
Hedwig betrachtete sie. Appel war schön. Auch wenn sie selbst mit ihrem dunkelbraunen Haar und den blauen Augen nicht unansehnlich war, so kam sie nicht gegen Appels milchweiße Wangen an und deren schwarze Augen, die Unschuld und Versprechen zugleich waren. Hedwig lächelte. Appel tändelte sowohl mit Bäcker Henrichs Lehrling als auch mit Timotheus, dem vierzehnjährigen Lehrjungen des Hauses Belier. Sogar dem Gesellen Meinrad Lücke machte sie schöne Augen. Und wer wusste, wem sonst noch. Sie setzte sich damit gewitzt über das eine oder andere Gebot des Herrn Belier hinweg. Aber Appel strahlte dabei so viel Leben aus, so viel Schalkhaftigkeit. Hedwig hatte die ein Jahr ältere Kollegin gern. „Nun sag schon“, lachte sie daher.
„Adam hat mich gefragt!“, strahlte Appel.
„Adam?“
„Ach Hedwig, du vergisst ja wirklich alles! Adam! Goldschmied Adelmanns Lehrling!“
„Ach der.“
Appel drehte sich erneut um sich selbst. „Er hat mich gefragt, ob ich übermorgen den Einmarsch des Tataren mit ihm zusammen anschauen will!“ Ein holdseliges Lächeln lag auf ihrem Gesicht.
„So, wie du aussiehst, hast du Ja gesagt, was?“
Appel erwiderte, indem sie den Kopf wie in schüchterner Ablehnung neigte und den Busen vorschob: „Aber selbstverständlich! Was denkst du denn?!“
Hedwig wollte fragen, ob Appel um Erlaubnis gebeten hatte, heute Abend ausgehen zu dürfen, als Schritte im Treppenturm das Herannahen der anderen Hausmitglieder ankündigten. So raunte sie ihr nur rasch zu: „Dann nimm dich bloß vor den Mahnreden des
Paterfamilias
in Acht!“ Sie betonte das Wort verschwörerisch. Charles Belier wurde nämlich nicht müde, Appel vorzuhalten, was geziemendes Verhalten sei, und beim täglichen Abendgebet verurteilte er leichtsinnige Reden und Taten und blickte diese dabei besonders streng an. Hedwig wusste dies nur, weil Appel es ihr erzählt hatte. Sie selbst musste nicht mit der Familie Belier beten. Man ging davon aus, dass ihr Eheherr diese Pflicht zu Hause erfüllte und abendlich aus dem Katechismus vorlas.
Herr Belier betrat den Vorraum, gefolgt von Wittib Zwengel, der Kinderfrau, und den Kindern Daniel und Susanna. Zuletzt folgte Margret, die fünfzehnjährige Küchenhilfe.
Charles Belier war ein Mann in seinen besten Jahren. Ein gebildeter, die Schönheit liebender und in edle Stoffe gewandeter Kaufherr mit einer lustigen Färbung in der Sprache, die Hedwig gefiel.
„Liebe ’ausverwandte“, hob er mit seiner ruhigen Stimme an, „bevor wir dem ’errn für geistige Führung danken und seinen göttlichen Schutz vor nächtlichen Übeln erflehen, gebietet die Sitte des ’eutigen Tages, dass ihr für eure Dienste entlohnt werdet.“
Hedwig mochte, wie er die H’s verschluckte. Wenn er mit ihr sprach, hoffte sie, er möge ihren Namen aussprechen und Wörter mit vielen H’s verwenden. Sie fand es erstaunlich, eine fremde Sprache zu beherrschen und bewunderte Familie Belier dafür, dass sie die ihre aufgegeben und das Deutsche gelernt hatten. Sie schnappte einiges an Wörtern in dem Handelshaus auf, in dem Käufer und Freunde aus dem gesamten Reich, aus Italien, England oder Polen ein und aus gingen.
Herr
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