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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Belier räusperte sich und blickte Hilfe suchend zum Treppenturm. Da das Kommen seines Eheweibs nicht zu hören war, wandte er sich an Hedwig. „’edwig, du bekommst als Erste deinen Lohn. Schicke Frau Spahr ’erauf, sobald du dein Töchter geholt ’ast.“
    „Ja, Herr Belier.“
    „Und Velten soll sich eilen, sobald er ’inter dir abgeschlossen ’at.“
    „Gewiss, Herr Belier.“
    Ein seltsamer Augenblick des Schweigens entstand, in dem Hedwig der unheimliche Schemen einfiel und sie sich erneut fragte, ob sie Herrn Belier warnen sollte. Aber wovor eigentlich? Vor einer dunklen Ahnung, die sie beim Anblick eines wartenden Mannes befallen hatte?
    Endlich vernahm man Schritte auf der Treppe, hastige von unten, vom Rascheln des Rockes begleitete, und deutlich gemächlichere von oben. Ein freundlicher Wortwechsel, dann betrat Madame Belier den Vorraum, gefolgt von Meinrad Lücke, dem Gesellen, welcher der Hausherrin den Vortritt gelassen und ihr offenbar auch die Kiste abgenommen hatte, die er wie eine Jagdbeute hinter ihr hertrug. Auf seinem gefütterten violetten Wams schmolzen Schneeflocken, er brachte einen kalten Windhauch mit herein. Er stellte die Kiste neben Frau Belier auf dem Boden ab, rieb die Handflächen aneinander, äugte dankbar zum Kamin und reihte sich schließlich bei den Kindern ein. Wie jeden Abend hatte er zusammen mit Velten, dem Knecht, und dem Lehrjungen Timotheus die Läden und Türen in den Verkaufsräumen im Erdgeschoss verschlossen. Das quietschende Klirren, Rasseln und Scheppern war dumpf bis nach oben gedrungen.
    Frau Belier stand neben ihrem Eheherrn. Sie sah eindrucksvoll aus in ihrer braunen Schoßjacke mit den gepufften Ärmeln und mit dieser ausladenden Hüfte unter dem Hüftpolster, an der der riesige Schlüsselbund im Kaminfeuerschein glänzte. Sie war füllig, hatte gerötete, volle Wangen und strahlte jene stolze Zufriedenheit aus, die eines erfolgreichen Bürgers Eheweib wohl anstand. Sie öffnete den großen Leinenbeutel, den sie an einer Schnur am Arm getragen hatte.
    Es klimperte, als Herr Belier den großen Lederbeutel von seinem Gürtel nahm, um die Gulden herauszuzählen. „’edwig“, sagte er und winkte sie zu sich.
    Hedwig trat vor und nahm die Münzen in Empfang. Madame zog ein Paar Halbstiefel aus dem Leinenbeutel und gab sie ihr. Hedwig wurde vor Freude rot. Es waren schöne Stiefel aus Rindsleder, dunkelbraun, und sie hatten einen breiten Schaft. Madame beugte sich hinunter, öffnete die Kiste und entnahm ihr ein Bündel. Wie Hedwig von Appel und Frau Spahr wusste, pflegte Madame Belier die zehn Ellen Tuch in übrig gebliebene Tuchreste zu packen und mit einer Schnur zu umwickeln, sodass sie getragen werden konnten. Das Bündel, das Madame Hedwig reichte, war in wollfarbenes Leinen gewickelt. Letztlich war dies eine Dreingabe, denn aus diesen Resten ließ sich noch immer etwas fertigen, und wenn es eine Windel für Juli war. Hedwig knickste ehrerbietig. „Danke, Herr Belier. Danke, Frau Belier.“
    „Gute Nacht, Hedwig, gehab dich wohl.“
    Hedwig verabschiedete sich und ging die Stufen hinunter. Um im Dunkeln nicht zu stürzen, musste sie langsamer gehen, als ihr lieb war. Unten angekommen trat sie in den Hofraum, wandte sich nach rechts, wo an den Treppenturm eine Küche aus Stein angebaut war. Lächelnd öffnete sie die Tür und wurde sofort von Wärme und dem Geruch von Holzfeuer und frisch gebackenem Brot empfangen. Und vom freundlichen Lächeln Frau Spahrs. Die Köchin stand am großen Holztisch in der Mitte des niedrigen Raumes und richtete Äpfel, Birnen und Karottenstücke in einer Schale.
    „War sie brav?“
    „Aber ja, das war sie. Sie ist es immer.“
    Hedwig hörte an Frau Spahrs Ton, dass deren Lächeln noch breiter geworden war. Augen indes hatte sie nur für das Weidekörbchen, das links neben dem Herd stand. Im Nu war sie dort und äugte hinein. Wärme kroch ihr vom Bauch in die Brust und weiter hinauf bis in die Wangen. Ihre Tochter!
    „Sie schläft, oder?“, fragte Frau Spahr herzlich.
    „Ja, das tut sie.“
    Hedwig wandte sich zum Tisch und hielt Frau Spahr stolz Stiefel und Bündel hin.
    „Fein gearbeitet, da lassen sie sich nicht lumpen“, bemerkte die Köchin anerkennend. Sie deckte die Schale mit den Früchten und die Teller, auf denen sie Brot und Käse für das Nachtmahl der Familie gerichtet hatte, mit einem weißen Leinentuch ab. Während sie sich daranmachte, alles in einen großen Henkelkorb zu packen, sagte sie: „Ist

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