Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Hochzeit, ihre Stellung als Magd angetreten. Ach, es war, wie sie und Philipp es sich gewünscht hatten.
Trompetenschall ließ Hedwig zusammenschrecken. Der Turmbläser. Vier Uhr. Es dunkelte bereits. Die Glocken von Heiliggeist ertönten, kündeten vom Schließen der Stadttore, läuteten den Abend ein. Hedwig warf einen Blick durch den behaglichen Raum. Ja, alles war gerichtet, alles an seinem Platz.
Hedwig strich im Hinausgehen über den Samtbezug eines Sessels. Es war angenehm, in einem solchen Sessel zu sitzen, zweimal hatte sie nicht widerstehen können und es ausprobiert. Sie betrat das Zimmer, das zur rückwärtigen Seite auf den Hof hinausging. In diesem Raum standen zierliche Tische und Stühle, man spielte abends Schach oder Karten an ihnen. Von hier aus gelangte man in den Vorraum, in dem es den Kamin gab. Hedwig hatte diesen, sowie jenen im darunterliegenden Stockwerk, vor zwei Stunden entzündet, sie musste nun nachlegen und das Feuer im Auge behalten. Sie ging in die Hocke, um die Holzscheite mit dem Schürhaken zurechtzuschieben, als sie auf der Wendeltreppe hinter sich im Treppenturm Schritte vernahm. Sie verharrte. Dann erkannte sie am Klirren des Schlüsselbunds Madame Belier. Ihre Röcke raschelten über die Steinstufen, Hedwig erhob sich und drehte sich um. Madame stand in der Tür zum Vorraum.
„Sind alle Fenster geschlossen?“
„Ja, Herrin.“
„Das Wasser für die Fußwäsche gerichtet und die Nachttöpfe verteilt?“
„Ja, Madame Belier.“
Das abendliche Abfragen, bevor sie nach Hause gehen konnte, war Hedwig inzwischen so vertraut wie das Wippen von Madames großen rotblonden Locken, wenn sie nickte. Munter umschaukelte Frau Beliers Haar ihr Doppelkinn und die Halskrause. „Lege zwei Scheite nach, dann gehe hinunter. Herr Belier wird die Löhne vor dem Abendgebet auszahlen.“
Martinstag! Ihr erster Lohn! Da sie noch kein volles Jahr bei Beliers arbeitete, bekam sie heute nur vier statt fünf Gulden. Doch die würde sie Philipp später am Abend stolz vorzählen. Ihm die zehn Ellen Tuch unterbreiten, das Paar Schuhe, das erste von dreien, das einen Teil ihres Lohnes ausmachte. Sie freute sich schon jetzt auf sein Lächeln. Sie würde sich auf seinen Schoß setzen und ihm sagen, er könne künftig darauf verzichten, sie wegen jeder kleinen Ausgabe zu tadeln – sie verdiente jetzt schließlich ihr eigenes Geld. Wie griesgrämig er manchmal sein konnte. Tand nannte er die kleinen Dinge, die sie erwarb, schalt sie verschwendungssüchtig. Dabei war sie das keinesfalls! Aber in der Stadt gab es so viel Verlockendes zu sehen. Beutler, Nestler, Krämer, Gürtler, Goldschmiede – das alles kannte sie von ihrem Heimatdorf Reilingen nicht. Und sie kaufte manches doch nur, um ihre Wohnung behaglich zu gestalten. Einen tönernen Kerzenständer etwa, obwohl sie kaum Kerzen benutzten, denn die waren teuer. Ein farbenfrohes Tuch, um Juli darin einzuwickeln. Es gefiel ihr, und sie tat es doch für ihre kleine Familie. Wenn sie ihm dies vorhielt, grummelte er meist noch ein wenig – und beruhigte sich wieder.
Madame Belier zog sich in den großen Wohnraum zurück, ihr faltig gereihter Rock schwang und schabte am Türrahmen. Hedwig legte Holz nach und betrat schließlich den kleinen turmartigen Anbau mit der Wendeltreppe, die alle Stockwerke bis zum untersten Giebelgeschoss miteinander verband. Sie stieg hinunter, die Hand tastend am Mauerwerk streichend, denn im Turm war es inzwischen dunkel. Sie erreichte das erste Obergeschoss. Der Vorraum war mit Steinfliesen ausgelegt. Er erstreckte sich über die ganze Breite der Hoffront, und Hedwig erkannte am gelblichen Flackern, das durch das Fenster hereinfiel, dass unten im Hof bereits die Fackeln brannten. Auch hier legte sie Holz im Kamin nach, entzündete einen Kienspan an einem brennenden Scheit und hielt ihn an den Docht der großen Hauskerze, die auf einer Gipssäule stand. Zufrieden blickte sie umher. Gleich würden sich die Beliers mit dem Gesinde in diesem schmucken Vorraum versammeln. Herr Belier würde die Löhne auszahlen und das Abendgebet mit den Seinen sprechen. Hier, wo die prunkvollsten Räume der Familie lagen, hier, wo sonst nur Handelsvertreter, Hofangestellte, Geldgeber und Gäste empfangen wurden.
Hedwig überlegte, ob die Zeit wohl noch reichte, um einen Blick auf Juli zu werfen, als sie hastiges Trappeln auf der Wendeltreppe hörte. Unwillkürlich schmunzelte sie. Das konnte nur eine sein. Und richtig, Appel, ebenfalls Magd
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