Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
einen Ansatz zum Doppelkinn zugelegt zu haben.
»Wir beide haben einiges gemeinsam«, stellte er fest, während sie zusammen den schmalen Flur zum Überwachungsraum entlanggingen.
Das sah Harker ganz anders. »Inwiefern?«
»Zum Beispiel legen wir beide Wert auf elegante Garderobe.« Simmonds lachte und wartete einen Moment auf Zustimmung, die nicht erfolgte. Harkers edler Dreiteiler saß wie angegossen, ganz anders als Simmonds graues Anzugungetüm. »Und dann natürlich noch in einem ganz offensichtlichen Punkt«, fuhr Simmonds fort.
»Und der wäre?«
Sie hatten eine Tür auf der linken Seite am Ende des Flurs erreicht. Simmonds drückte die Klinke herunter. »Durch die freundliche Mithilfe des Bourbon Kid sind wir beide heute befördert worden.«
Harker bedachte Simmonds mit einem missbilligenden Blick. Unter den gegebenen Umständen war das eine ziemlich geschmacklose Bemerkung. Der Blick war Simmonds nicht entgangen.
»Natürlich habe ich mir nicht gewünscht, auf diese Art an meinen Job zu kommen. Mir wäre es viel lieber, wenn Bertram noch lebte. Sicher geht es Ihnen da mit Ihrem Vorgänger genauso.«
Simmonds ging in den Überwachungsraum und ließ auch Harker hinein.
»Der letzte Captain war ein mieses Arschloch, und ich bin froh, dass er tot ist«, erwiderte Harker.
»Oh.«
»Würden Sie mir nun freundlicherweise die Videoaufnahmen zeigen? Danach muss ich sofort weiter. Ich habe heute noch einen verdammt langen Tag vor mir.«
»Selbstverständlich.«
Auf einem abgewetzten blauen Drehstuhl saß ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in einer grauen Uniform. Er war groß, hatte breite Schultern und welliges blondes Haar. Simmonds legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Hast du eine Kopie von der Aufzeichnung für die Polizei gemacht, James?«
Der Mann setzte sich aufrecht hin. »Klar, Sir.« Er nahm sich die in einer Plastikhülle steckende CD , die vor ihm auf dem Schreibtisch gelegen hatte. »Ist alles hier drauf.«
Simmonds nahm ihm die CD ab und hielt sie Harker hin.
»Danke.« Harker schnappte sich die CD , beugte sich über James’ Schulter und musterte die Überwachungsmonitore. Darauf konnte man in Echtzeit alles mitverfolgen, was gerade im Museum passierte.
»Sagen Sie mal, James, könnten Sie mir das Video vom Mord auf einem der Bildschirme aufrufen?«, bat Harker. »Ich würde mir das Material gern kurz ansehen. Vielleicht habe ich ja noch ein paar Fragen dazu. Wär blöd, wenn ich das erst in meinem Büro feststelle, wenn ich jetzt schon mal hier bin.«
»Natürlich, Sir.« James tippte etwas in die Tastatur vor ihm und zeigte dann auf einen der Bildschirme. »Geht gleich los.«
Harker beugte sich noch weiter vor, um sich das Material auf dem Monitor genau anzuschauen. Der Mitschnitt war schwarz-weiß und nicht gerade scharf. Dennoch erkannte er Bertram Cromwell, der auf einem bequemen Sessel im Pausenraum des Personals saß und im Fernsehen die Nachrichten schaute. Nach ungefähr zehn Sekunden betrat eine große Gestalt in einem Umhang mit Kapuze den Raum. Cromwell stand auf, und die beiden unterhielten sich kurz. Da die Kameras keinen Ton aufzeichneten, war nicht klar, was gesprochen wurde. Der Bourbon Kid zog eine Machete unter seinem Umhang hervor. Harker zuckte zusammen, als der Killer den Kurator damit dann zu Hackfleisch verarbeitete. Das war der gewalttätigste Mord, den er in seiner gesamten Laufbahn je gesehen hatte, und es waren eine Menge gewalttätiger Morde gewesen. Was für ein schrecklicher, unverdienter Tod für einen so anständigen Menschen. Nach dem Mord verließ der Bourbon Kid seelenruhig den Raum. James hielt den Film an, und das Standbild zeigte Cromwells Leiche, die in einer riesigen Blutlache auf dem Boden lag.
»Jedes Mal, wenn ich das sehe, wird es schlimmer«, sagte Simmonds, dem sichtlich schauderte.
»Ja, glaub ich«, sagte Harker. Etwas am unteren Rand des Bildschirms hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er musste an eine Bemerkung des Bürgermeisters vorhin denken. »Geht die Uhr da richtig?«, fragte er und zeigte auf die eingeblendete Uhrzeit unten am Bildrand.
James nickte. »Ja. Zwei Uhr siebenunddreißig. Müsste meiner Meinung nach hinkommen. Zwanzig Minuten vorher habe ich den Professor noch gesehen und ihm gesagt, er soll doch Feierabend machen. Aber er konnte sich nicht von den Nachrichten losreißen. Er hat sich die gesamte Berichterstattung über die Morde angesehen.«
»Interessant«, stellte Harker fest und kratzte sich am
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