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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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»Es liegt nicht an mir zu beurteilen, ob ihr Spreu seid oder Weizen. Zumindest dies muss jeder von euch selbst entscheiden. Aber wie eure Entscheidung auch immer ausfallen wird, ich werde sie ohne Widerspruch annehmen. Keiner von euch ist mir etwas schuldig. Auch du nicht, Conn.«
    »Herr?« Conn schaute verwundert auf.
    »V ielleicht war es ein Fehler, dich mitzunehmen. Wenn schon meine engsten Vertrauten und Freunde am Sinn dieses Feldzugs zweifeln, um wie vieles mehr musst du dich dann nach deiner Heimat sehnen, der ich dich wider deinen Willen dazu verpflichtet habe?«
    » N-nun«, stammelte Conn, der nicht wusste, was er darauf erwidern sollte, »ich …«
    »W enn es dein Wunsch ist, nach England zurückzugehen, dann geh«, forderte Baldric ihn auf. »Deine Schuld ist beglichen, ich werde dich nicht aufhalten.«
    »Nein?«, fragte Conn vorsichtig.
    Baldric schüttelte den Kopf. »Ich schenke dir die Freiheit. Es ist meine Gabe an dich in dieser Nacht.«
    Conn blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Eben noch war er Baldrics Knappe und Diener gewesen, mehr unfrei als frei, und nun plötzlich durfte er selbst entscheiden?
    Einen erleichterten Atemzug lang genoss er die Vorstellung – bis ihm klar wurde, dass er sich längst entschieden hatte.
    In England gab es nichts mehr, das eine Rückkehr lohnte. Der einzige Grund wäre Guillaume de Rein gewesen, aber der befand sich unter den Kreuzfahrern, auch wenn seine Bleibe wohl weniger zugig und seine Mahlzeiten fraglos großzügiger bemessen waren. Aber seltsamerweise war es nicht nur der Wunsch nach Rache, der Conns Entschluss bestimmte. Es war, wie er verwundert feststellte, eine gewisse Zuneigung, die er zu Baldric gefasst hatte.
    »Ich danke Euch, Herr«, sagte er deshalb. »Aber ich will nicht zurück nach England.«
    »W arum nicht?«
    »W eil ich dort nichts gewinnen, aber alles verlieren kann«, gab Conn ohne Zögern zur Antwort. »Hier verhält es sich genau umgekehrt.«
    Baldric starrte ihn lange an. Dann lachte der Normanne auf eine Weise, die erkennen ließ, dass er keine andere Antwort erwartet hatte. »Gut gesprochen, Knappe«, sagte er und nickte wohlwollend. »Und wie lautet deine Entscheidung, Bertrand?«
    Der Angesprochene schaute zuerst zu Conn, dann zu Remy und schließlich zu Baldric. Dabei war im Feuerschein deutlich z u erkennen, wie sich seine Züge röteten. »Ich fürchte, unser junger Freund hat mir gerade eine Lektion erteilt. Verwünscht sei sein schlichtes angelsächsisches Gemüt.«
    »Das reine Herz ist offen für die Wahrheit«, drückte Baldric es schmeichelhafter aus, und sie alle lachten – bis Glockenschlag zu hören war, den der Wind vom nahen Dorf herübertrug.
    »Christ ist geboren«, sagte Baldric und ließ sich auf die Knie nieder, um sich zu bekreuzigen.
    »Christ ist geboren«, bestätigten Bertrand und Conn und taten es ihm gleich, und selbst der gestrenge Remy legte sein Schwert zur Seite und beugte das Haupt.
    Es war der Weihnachtsabend des Jahres 1096.

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21.
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    Damaskus
Wenige Tage später
    Bahram al-Armeni war müde.
    Stundenlang hatte er in den dunklen Himmel gestarrt, der sich über Damaskus wölbte, bis ihm die Sterne nur noch wie Nadelstiche erschienen waren, die jemand willkürlich in den Mantel der Nacht gebohrt hatte, ohne dabei einem bestimmten Muster zu folgen.
    Vom Mondschein beleuchtet, bot die Stadt ein friedliches Bild: die schützende Mauer, die sie in weitem Rund umgab; das glitzernde Band des Flusses, der sie von Osten her durchfloss; die hohen Kuppeln der Umayyaden-Moschee sowie der angrenzenden Bibliothek und der Universität; dazwischen die spitzen Türme der Minarette. Obschon Bahram ursprünglich aus Tal Bashir an der Südgrenze des fernen Armeniens stammte, war Damaskus für ihn zur zweiten Heimat geworden, und obwohl er nicht muslimischen, sondern wie viele Armenier christlichen Glaubens war, hatte er es unter den seldschukischen Herren des Landes zu einigem Ansehen gebracht. Das stand mit den militärischen Diensten in Verbindung, die er zunächst unter Tutush, dem Bruder des Sultans, und später unter seinem Sohn Duqaq geleistet hatte, dem mächtigen Herrscher von Damaskus. In zahllosen Schlachten hatte Bahram sich hervorgetan und sich einen herausragenden Status unter Duqaqs Kämpfern erstritten, der ihm als hohem O ffizier Reichtum und Ansehen eingetragen hatte – und die Freiheit, sich in Friedenszeiten anderen Belangen widmen zu können.
    »Nun, mein Freund?«, erkundigte er sich

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