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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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untergehenden Sonne zu glühen schien.
    »W oran denkst du?«, wollte Baldric wissen, dem Conns Stimmung nicht verborgen blieb.
    »An jemanden, den ich einst kannte«, erwiderte Conn.
    Er hatte Baldric nie erzählt, was damals in London geschehen war, und gedachte es auch jetzt nicht zu tun. Nicht, weil er dem Normannen noch immer nicht über den Weg getraut hätte, sondern weil er sich insgeheim davor fürchtete, jene dunkle Kammer tief in seinem Inneren zu betreten, die er sorgsam verschlossen hatte.
    »Jemanden?«
    »Eine junge Frau.« Die Antwort reichte aus, um einen schmerzhaften Stich hervorzurufen. »Sie …«
    » Ja?«, hakte Baldric nach, als Conn zögerte. Der Normanne wandte den Blick, das eine Auge schaute ihn fragend an.
    »Sie sagte, dass die Welt außerhalb der Mauern Londons voller Wunder sei«, erwiderte Conn leise.
    »Dann war sie entweder weitgereist oder trotz ihrer jungen Jahre sehr weise«, folgerte Baldric lächelnd.
    »Das war sie«, bestätigte Conn. Für einen Moment versuchte er sich vorzustellen, wie es gewesen wäre, Nia in diesem Augenblick an seiner Seite zu haben, ihr all die Wunder zu zeigen, von denen sie stets gesprochen hatte. Traurigkeit befiel ihn, doch anders als noch vor einigen Wochen stürzte ihn die Erinnerung an Nia nicht mehr in tiefste Verzweiflung. Er erinnerte sich an das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, und der Gedanke, dass er in diesem Augenblick ein wenig von jener Freiheit verspürte, die zu suchen sie ihm aufgegeben hatte, tröstete ihn.
    Er hatte London verlassen.
    Er bereiste ferne Länder, er sah Dinge, die er noch vor kurzer Zeit für unmöglich gehalten hätte. Und erstmals kam ihm der Gedanke, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, dass auf die Düsternis der Trauer irgendwann wieder helles Licht folgen könnte.
    Conns Arm war geheilt, er fühlte sich gesund und war am Leben, und zum ersten Mal nach langer Zeit schöpfte er leise Hoffnung.
    Von Rom aus folgte das Heer dem Verlauf der Via Appia , einer jener Hauptstraßen, die einst die Zentren des Römischen Reiches miteinander verbunden hatten. Teile des steinernen Bandes, das sich von Rom bis in die Hafenstadt Brindisium erstreckt hatte, waren über die Jahrhunderte immer wieder ausgebessert und auf diese Weise erhalten worden. Sie erleichterten das Vorankommen des Heeres und seines gewaltigen Trosses, der im Zuge des Marsches durch Italien noch weiter angewachsen war, ganz erheblich; andere Streckenabschnitte h ingegen waren dem Verfall überlassen worden, sodass die Pflastersteine von Gras überwuchert wurden und der einstige Straßenverlauf nur noch zu erahnen war.
    Als Anfang November heftiger Regen einsetzte und das Vorankommen zusätzlich erschwerte, rächten sich die Tage der Rast, die man in Lucca und Rom eingelegt hatte. Erst gegen Ende des Monats erreichte man Bari, wo Hunderte von Frachtschiffen bereitstanden, die das Kreuzfahrerheer nach Griechenland übersetzen sollten. Noch nie zuvor, nicht einmal in Genua, hatte Conn eine solche Anzahl von Schiffen erblickt, die in der grauen, von Wind und Regen trüben See um ihre Ankerketten dümpelten. Doch wie sich zeigte, war die Jahreszeit bereits zu weit vorangeschritten; die Mehrheit der Kapitäne, unter deren Befehl die Frachter standen, verweigerte die Überfahrt unter Verweis auf die gefährlichen Stürme, die das Meer im Winter aufzuwühlen pflegten und es zum feuchten Grab für all jene machten, die sich ihm leichtfertig auslieferten.
    Über mehrere Tage hinweg blieb es ungewiss, ob die Heeresführer sich auf das Wagnis einlassen und die Seefahrer womöglich zwingen würden, ihre Arbeit zu tun. Schließlich besannen sie sich jedoch, und sowohl Herzog Robert als auch Stephen de Blois rückten mit ihren Einheiten nach Kalabrien ab, wo ihnen Marc von Tarent Zuflucht gewährte, der normannische Herrscher Süditaliens, der seinen angeblich sagenhaften Körperkräften entsprechend Bohemund genannt wurde, nach dem mythischen Riesen. Wie es hieß, sei Bohemund durch das Beispiel der Kreuzfahrer ebenfalls von religiösem Eifer erfasst worden und plane, im Frühjahr selbst an der Spitze einer Streitmacht überzusetzen. Lediglich Graf Robert von Flandern wollte nicht länger warten; indem er einigen Kapitänen hohe Belohnungen versprach, gelang es ihm, eine kleine Flotte zusammenzustellen, die ihn und seine Leute noch vor Jahresende nach Griechenland bringen sollte – und allen Gefahren zum Trotz langten die Schiffe wohlbehalten in Dyrrachium

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