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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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bei dem Mann, der neben ihm auf einem Kissen auf dem Boden kauerte und in das Ende eines zweieinhalb Ellen messenden Rohres starrte, das aus Messing gefertigt und zum Himmel gerichtet war. »Könnt Ihr etwas entdecken?«
    Jamal Ibn Khallik antwortete nicht sofort. Noch einige Augenblicke lang starrte er durch das Fernrohr, so als fürchte er, etwas zu übersehen oder gar zu verpassen. Dann erst wandte er den Blick seiner wässrigen Augen auf Bahram, den er jedoch nicht gleich wahrzunehmen schien. Im Gegenteil hatte es den Anschein, als bräuchte der alte Sterndeuter eine Weile, um aus den Geheimnissen des Kosmos in das Hier und Jetzt zurückzukehren, das sich hoch über den steinernen Gassen von Damaskus befand, im Dachgarten des prächtigen Hauses, das Bahram als Zeichen von Duqaqs Gunst bewohnte.
    »Ich wünschte, ich könnte Eure Frage bejahen, Herr, denn dann hätte Eure Ungewissheit ein Ende. Aber ich kann es nicht. Das Firmament ist leer in diesen Tagen. Leer an Zeichen. Arm an Wahrheit.«
    »Aber ich habe die Zeichen gedeutet«, wandte Bahram ein. »Sie standen günstig …«
    »Es hat Zeichen gegeben«, stimmte der Sterndeuter zu, während sich seine dunklen, faltigen Züge, die etwas von knorrigem Leder hatten, zu einem milden Lächeln zerknitterten, »und es spricht für Euer Wissen und Eure Gelehrsamkeit, dass Ihr sie erkannt habt, während viele andere Astrologen sie übersahen – doch könnt Ihr niemals sicher sein, was sie bedeuten. Alle Zusammenhänge des Lebens und der Natur des Kosmos sind dort oben verborgen, dessen seid gewiss, Herr. Jedoch vermögen wir den Zeitpunkt, da sie sich uns enthüllen, weder vorherzusagen noch zu bestimmen.«
    Bahram nickte nur widerwillig.
    D er Kunst der Sterndeutung gehörte seine ganze Leidenschaft. Hätte sein Schicksal, das ihn vom fernen Tal Bashir nach Syrien geführt hatte, nicht den Weg des Krieges eingeschlagen, so hätte sich Bahram vermutlich der Astrologie gewidmet, die ihm ein weitaus lohnenderes Betätigungsfeld zu sein schien. Es war seine tiefe Überzeugung, dass sich in der wunderbaren Gleichmäßigkeit und Ordnung der Sterne die göttliche Weisheit und Schöpferkraft spiegelte und dass man, wenn man es recht verstand, beim Betrachten der Gestirne einen kurzen Blick auf den Abglanz des Göttlichen erhaschen konnte, aus dem man wiederum Rückschlüsse auf das Wirken und Streben der Sterblichen ziehen konnte, im Guten wie im Schlechten.
    »Ich weiß, wie unbefriedigend dies für Euch sein muss, Herr«, entgegnete Ibn Khallik, in dessen Familie die Kunst der Astrologie seit vielen Generationen gepflegt wurde, bis zurück in die Tage des alten Babylon. »Aber wenn die Sterne ihre Geheimnisse nicht freiwillig enthüllen, vermögen wir sie ihnen nicht zu entreißen.«
    »Dessen bin ich mir bewusst, Meister Jamal«, antwortete Bahram. Manches von dem, was er über die Gestirne wusste, über ihre Konstellationen und deren tiefere Bedeutung, hatte er aus Büchern gelernt. Das meiste jedoch hatte Ibn Khallik ihm beigebracht, der immer dann, wenn die Zeiten es erlaubten, zu seinem väterlichen Freund und Lehrer wurde. »Aber könnte es nicht sein, dass wir etwas übersehen haben? Einen verborgenen Hinweis, und wäre er noch so gering?«
    »W as macht Euch so sicher, Bahram? In all den Jahren, die ich Euch nun kenne, habe ich Euch selten so unruhig erlebt, und ich nehme an, dass dies nicht so sehr mit den Veränderungen der Gestirne zusammenhängt als vielmehr mit etwas, das Ihr im Palast des Fürsten erfahren haben mögt und worüber zu sprechen Euch untersagt wurde.«
    Bahram lachte, um seine Überraschung zu verbergen. Schon in der Vergangenheit hatte er feststellen müssen, dass es schwie r ig war, etwas vor Meister Jamal zu verbergen. Mitunter hatte es den Anschein, als besäße der alte Mann die Gabe der Prophetie – oder vielleicht weilte er auch nur lange genug auf Erden, um das Wesen der Menschen genau zu kennen. »Ihr … habt recht«, gab er widerstrebend zu.
    »In diesem Fall solltet Ihr Euch fragen, ob es tatsächlich Erkenntnis ist, nach der Ihr dürstet, oder ob Ihr in Wahrheit längst für Euch entschieden habt, was jene Dinge zu bedeuten haben, und nun vom Himmel die Bestätigung dafür wollt.«
    Es waren Aussagen wie diese, für die Bahram den alten Sterndeuter so sehr schätzte – offen und direkt, ohne zu verletzen, dabei aber von bestechender Weisheit. Es stimmte, Bahram hatte im Palast von Entwicklungen erfahren, die in der Tat

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