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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Aufstand blutig niederschlagen und sorgte dafür, dass das Haus Jakob in alle Winde zerstreut wurde.«
    »Auf alle Lande dieser Welt hat es sich daraufhin verteilt«, stimmte ihr Vater zu. »Gesetze wurden seinetwegen erlassen und Regeln aufgestellt, doch das Volk hielt stets an seinen eigenen Traditionen fest und an seinem Glauben, bewahrte ihn wie die Weisung der Thora und die Lehre des Talmud – und zusammen mit ihm auch das Buch, das von solcher Wichtigkeit ist und von dessen Existenz doch nur wenige wissen. Von Ascalon aus, wo es einst verfasst worden war, trat es eine weite Reise an, zunächst nach Osten in die Gebiete der Parther und Armenier, später dann nach Norden in das Land der Magyaren. Von dort gelangte es schließlich nach Westen, den großen Fluss hinauf und in das Reich der Franken, dessen Kaiser Karolus unser Volk freundlich aufnahm und ihm Schutz versprach. Dort verblieb das Buch von Ascalon lange Zeit, bis in diese Tage.«
    Der alte Isaac unterbrach sich, um sich mit einer Geste, die beiläufig wirken sollte, die Tränen aus den Augen zu wischen. »Mir war immer klar gewesen, dass jener Tag, an dem ich das Siegel Salomons wiedersehen sollte, gleichzeitig auch der Tag sein würde, an dem ich mein Versprechen würde einlösen müssen.«
    »Hast du damit gerechnet?«, fragte Chaya.
    »Nein«, bekannte ihr Vater kopfschüttelnd. »Ebenso wenig, wie ich mit dem Tod deiner Mutter gerechnet habe. Oder d amit, dass das Volk Israel nach all den Jahrhunderten des Friedens erneut angefeindet werden könnte und um seine Existenz fürchten müsste. Warum nur neigen wir Menschen dazu, das, was wir haben, als sicher und gegeben zu erachten? Wo ist unsere Demut vor dem Herrn? Wo unsere Dankbarkeit?«
    Chaya wusste keine Antwort auf seine Fragen. Es stimmte, auch sie hatte noch vor nicht allzu langer Zeit viele Dinge als selbstverständlich erachtet, die ihr nun außergewöhnlich, ja unerreichbar schienen. Vor allem aber konnte sie seine Trauer fühlen und die Einsamkeit, die ihn quälte, und sie verspürte das Bedürfnis, ihm zu helfen.
    »W illst du mir nicht doch sagen, was in dem Buch geschrieben steht, Vater?«, erkundigte sie sich leise. »V ielleicht würde es dich erleichtern, die Last des Wissens zu teilen.«
    »V ielleicht«, gestand er und legte ihr in einer liebevollen Geste die Hände auf die Schultern. »Aber dich würde es gleichzeitig belasten, mein Kind, und du hast schon genug zu tragen. Wenn ich dir vorenthalte, was in jener Schrift geschrieben steht, dann nicht, weil ich dir nicht traue, Chaya. Sondern um dich zu schützen.«
    Er wartete ihre Erwiderung nicht ab, sondern wandte sich ab und wollte den Dachgarten verlassen.
    »W ohin gehst du?«, fragte sie.
    »Zum Hafen. Ich werde versuchen, eine Passage nach Alexandretta zu bekommen.«
    »Aber der Sturm ist noch nicht vorüber!«
    »Und wenn schon.« Er zuckte mit den Schultern. »Lieber vertraue ich mich den Wellen an, als darauf zu warten, dass …« Er verstummte plötzlich, und seine Gesichtszüge verzerrten sich. Nach vorn gebeugt, stützte er sich auf das hölzerne Geländer, das die schmale Steintreppe säumte.
    »V ater!« Chaya eilte zu ihm. »W as hast du?«
    »Es geht schon.« Seine Miene entkrampfte sich, und er richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. »Nur ein An f all von Schwäche, nichts weiter. Ich werde langsam alt, das ist alles.«
    »Du musst dich ausruhen, hörst du?«
    »Das werde ich, meine Tochter«, versprach er, und für einen kurzen Moment war da wieder jenes schalkhafte Lächeln, das sie einst so an ihm geliebt hatte. »W enn die Mission beendet ist.«
    Damit wandte er sich endgültig um und stieg die Treppe hinab – und Chaya hatte das Gefühl, einem Greis nachzublicken.

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2.
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    Pelekanon, Kleinasien
Mitte Juni 1097
    Conn war müde.
    Ausgezehrt vom langen Marsch, erschöpft von den Entbehrungen.
    Als der burgundische Nachschubtross, dem er sich angeschlossen hatte, die ersten Ausläufer des Lagers erreichte, das die Kreuzfahrer bei Pelekanon errichtet hatten, am Ufer einer Meeresbucht, die weit in das felsige Hügelland ragte, verspürte Conn bei Weitem nicht die Erleichterung, die er sich während der langen Reise ausgemalt hatte. Er sah die Zelte, die die Anhöhe übersäten, die flackernden Feuer und die unzähligen Banner, die im kühlen Abendwind wehten, viele mit dem Zeichen des Erlösers versehen. Aber weder erfüllte ihn der Anblick mit Zufriedenheit, noch empfand er Stolz darüber, das

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