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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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der Leiter erreicht und schleppte sich hinaus auf das Vordeck.
    Es war Nacht.
    H eftiger Wind blies ihm entgegen, Regen peitschte ihm ins Gesicht. Auf Deck war die Hölle losgebrochen.
    Eines der beiden Dreieckssegel, die das mächtige Rundschiff antrieben, war nicht rechtzeitig gerefft worden und hatte sich infolge des heftigen Windes losgerissen. Wuchtig schlugen die Seilenden hin und her, der Kapitän bellte heisere Befehle und wies die Mannschaft an, das Segel endlich einzuholen und das Deck zu sichern. Der Sturm schien die Seeleute völlig überrascht zu haben.
    Auf zittrigen Knien wankte Conn zur Back und übergab sich. Schwallweise ergoss sich der Inhalt seines Magens in die gurgelnde pechschwarze See, während sich seine klammen Hände mit aller Macht an das von Regen und Gischt glitschige Holz krallten.
    Irgendwann war sein Magen leer, und die würgenden Krämpfe, die ihn schüttelten, brachten nur noch bittere Flüssigkeit zutage. Mit dem Ärmel der Tunika wischte sich Conn den Mund und wollte sich von der Back abwenden, um wie ein geprügelter Hund zurück unter Deck zu schleichen. Doch just in dem Augenblick, da er sich umwandte, flog etwas auf ihn zu. In der Dunkelheit und im prasselnden Regen sah er etwas heranrauschen und riss instinktiv die Arme hoch, um es abzuwehren – zu spät.
    Der hölzerne Block, der am Ende eines losgerissenen Seils befestigt war, traf ihn an der Schläfe, und das mit derartiger Wucht, dass Conn für einen Moment die Besinnung verlor. Der heftige Schmerz ließ sein Bewusstsein flackern wie eine Kerzenflamme, benommen wankte er zurück – und stieß gegen die nur hüfthohe Back. Noch ehe er recht zu sich kam, kippte sein Oberkörper bereits nach hinten. Er begriff, dass er sich festhalten musste, wollte er nicht kopfüber in die schäumenden Fluten stürzen, aber seine Hände griffen ins Leere – und er fiel.
    Ein entsetzter Schrei entrang sich seiner Kehle, der jäh verstummte, als die Wogen ihn verschlangen. Conn tauchte in die k alte Dunkelheit, Erinnerung und Gegenwart vermischten sich für ihn. Hatte er dies nicht schon einmal erlebt? Oder erlebte er es gar noch immer? War nichts von dem, was er in den vergangenen Wochen gesehen und erlebt hatte, wirklich gewesen? Hatte sich alles nur in seiner Vorstellung abgespielt, in jenem schrecklichen Moment, da er auf der Flucht vor den königlichen Wachen in die ungewisse Tiefe gesprungen war? Lag Nias Tod in Wahrheit nur wenige Augenblicke zurück?
    Er sah ihr Gesicht vor sich, nicht blutig und zerschunden, sondern lebendig und schön. Ihr schwarzes Haar. Ihre zarte, leicht gebräunte Haut, ihre dunkelbraunen Augen. Erst als Conn seine Lippen auf die ihren presste, erkannte er, dass es nicht Nia war, die er küsste, sondern eine andere junge Frau.
    Chaya!
    Wie ein Leuchtfeuer glomm ihr Name in der Dunkelheit auf und holte seinen verwirrten Geist ins Hier und Jetzt zurück. Erst jetzt spürte Conn seine brennenden Lungen und den nadelnden Schmerz des kalten Wassers. Er riss die Augen auf und konnte ringsum nichts als teerige Schwärze erkennen. Aber anders als damals, da er sich willenlos den Fluten ergab, wollte er nun leben!
    Alle Kräfte einsetzend, die ihm noch verblieben waren, begann er wie wild mit den Armen zu rudern. Einen quälenden Moment lang glaubte er, dass seine Lungen ihn im Stich lassen und er es nicht schaffen würde, aber unvermittelt durchstieß er die Oberfläche und bekam wieder Luft.
    Hastig sog er sie ein, bekam dabei einen Schwall Gischt ab, sodass er hustete und röchelte, während seine Beine gleichzeitig Wasser traten, damit er nicht unterging. Salz brannte in seinen Augen, und er konnte zunächst nichts sehen. Als sich seine Sicht wieder klärte, sah er sich rings von tosenden Wellenbergen umgeben, die sich zu riesigen Gebirgen häuften, um schon im nächten Moment wieder dunkle Abgründe zu öffnen, in die Conn gerissen wurde. Ein Sog erfasste ihn und zog ihn hinab. Es kostete ihn unbändige Kraft und Mühe, den K opf über Wasser zu halten und dafür zu sorgen, dass das schwarze, ringsum brodelnde und schäumende Inferno ihn nicht wieder verschlang.
    Erneut ging es hinauf in ungeahnte Höhen. Im einen Moment hatte es den Anschein, als wollte die See Conn geradewegs in den nächtlichen Regenhimmel ausspucken. Schon einen Herzschlag später jedoch stürzte er wieder in die Tiefe, fand sich von schwarzen Mauern umgeben, deren Zinnen aus weißer Gischt bestanden – und jenseits derer sich das Schiff

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