Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
geistlichen Führer der Unternehmung bestellt hat. Wie die meisten glaubte auch ich, dass uns der Schutz des Höchsten dadurch sicher wäre, aber ich sollte mich irren.«
»W as ist geschehen?«
» Teils zu Land und teils zu Wasser erreichten wir Slavonia, ein gefährliches und unwegsames Land, von dem der Allmächtige schon vor langer Zeit sein Angesicht abgewandt haben muss. Räuber bedrängten uns bei Nacht und bei Tage, und es kostete uns vierzig Tage, bis Scutari zu gelangen. Von dort ging es weiter durch fremdes Land, das von Wilden bevölkert wird, deren heidnische Namen du noch niemals gehört haben magst. Guzzen, Kumanen, Bulgaren – sie alle bedrängten unseren Heereszug selbst dann noch, als wir längst byzantinischen Boden erreicht hatten und uns unter dem Schutz des christlichen Kaisers wähnten, dessen Hilferuf Seine Heiligkeit den Papst ja erst zu diesem Feldzug bewogen hat. Doch wie wir feststellen mussten, gehorchten die Glieder des Leibes dem Haupt nicht mehr, und so hatten wir es allenthalben mit weiteren Übergriffen zu tun, wobei Bischof Adhémar, zu dessen Vertrauten ich mich zählen darf, so schwer verletzt wurde, dass er in Thessalonicum zurückbleiben und sich in die Obhut des dortigen Klosters begeben musste. Auf diese Weise gelangten wir erst vor wenigen Tagen nach Byzanz – nur um zu erfahren, dass ebenjener Kaiser, der nicht in der Lage gewesen war, uns sicheres Geleit durch sein eigenes Reich zu gewähren, Graf Raymond inzwischen den Treueid abverlangt hatte. Ich frage dich, Conwulf: Verfahren Brüder so mit Brüdern?«
»V ermutlich nicht«, kam Conn nicht umhin zuzugeben. »W obei ich nicht sehr viel von solchen Dingen verstehe.«
»Da gibt es auch nicht viel zu verstehen«, entgegnete der Mönch mit unverhohlener Bitterkeit. »Außer der Einsicht, dass manche der an dieser Unternehmung Beteiligten den Namen des Herrn für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.«
»Berengar«, ermahnte ihn Bovo, »Ihr solltet auf Eure Worte achten. Byzanz hat seine Ohren überall, wie Ihr wisst.«
»Und? Wird die Wahrheit dadurch weniger wahr?«
»Das nicht, aber sie wird dadurch gefährlich«, entgegnete der Lothringer halblaut, wobei er argwöhnisch in das Dunkel blickte, das jenseits des Feuerscheins herrschte.
» Sind die Gründe für diesen Feldzug letztlich nicht gleichgültig?«, fragte Conn in Erinerung an das, was Herr Baldric ihm gesagt hatte. »Geht es nicht darum, die Stätten der Christenheit zu befreien? Ist dies nicht das heilige Ziel dieser Unternehmung?«
»So habe ich einst auch gedacht, Conwulf«, stimmte Berengar zu. »Die Erfahrungen des langen Marsches haben mich jedoch gelehrt, dass nichts Heiliges darin liegt, einen Menschen im Sand der Steppe verbluten zu sehen, gleich welchen Glaubens er auch sei. Und wer die Schreie jener, die auf dem Schlachtfeld verwundet liegen, einmal gehört hat, der vergisst sie so schnell nicht. Kann Gott so etwas wollen, Conwulf? Kann er ein Unterfangen wie dieses gutheißen?«
Conn schaute den Mönch von der Seite an, sah den ausdruckslosen Blick seiner Augen, die leer in die Flammen starrten. Nicht nur, dass Berengar die Begeisterung verloren hatte, die einst aus ihm gesprochen hatte, der Benediktiner zweifelte ernstlich am Sinn der Unternehmung! Aber wenn schon die Nachfolger Christi auf Erden zweifelten, wenn sogar die Frommen ob der Anstrengungen und Widrigkeiten verzagten, welche Aussicht auf Erfolg gab es dann noch? Hatte sich das Schicksal, hatte sich Gott womöglich bereits von den Kreuzfahrern abgewandt?
Wenn es so war, dachte Conn beklommen, warum hatte er dann die Fährnisse der letzten Wochen auf sich genommen? Warum war er den Weg allen Widerständen zum Trotz bis zum Ende gegangen?
Stets hatte er sich eingeredet, es für ein höheres Ziel zu tun, zu einem besseren Ende. Für Herrn Baldric, für seine Kameraden Bertrand und Remy, von denen er noch nicht einmal wusste, ob sie noch am Leben waren – und für Nia!
»Nein!«, widersprach Conn entrüstet. »Hört auf, so zu reden, ich bitte Euch! Ich will nicht, dass alles vergeblich gewesen ist! All die Mühen, die wir auf uns genommen haben …«
»Keine Sorge, das waren sie nicht«, versicherte Bovo, der e benfalls nicht gewillt schien, den Bedenken des Mönchs zu folgen. »Gib nichts auf das Gerede eines Predigers, der den Anblick des Krieges nicht ertragen kann. Jeder von uns sollte das tun, was er am besten kann. Überlasst uns getrost das Schlachtfeld, Pater. Ihr hingegen
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