Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Dann habe ich mich auf die Suche nach meinen Kameraden gemacht, sie aber nicht gefunden.«
»Das wundert mich nicht. Die Häfen, in denen die Kreuzfahrerschiffe anlanden, befinden sich allesamt viel weiter nördlich. Der Sturm muss dich nach Süden abgetrieben haben.«
»Also habe ich mich auf eigene Faust auf den Weg gemacht.«
» Ganz allein? In der Fremde?«
»Ich bin es gewohnt, auf mich gestellt zu sein.«
»Dennoch«, wunderte sich der Mönch, »wie konntest du überleben? Was hast du getrunken? Was gegessen?«
»Es gibt immer Wege«, antwortete Conn ausweichend – dass er einige Übung darin hatte, sich Dinge des täglichen Gebrauchs zu beschaffen, ohne dafür zu bezahlen, überging er geflissentlich. Berengar durchschaute ihn dennoch.
»Dann bist du entweder sehr geschickt oder hattest sehr viel Glück. Hellenen und Slavier kennen für gewöhnlich keine Nachsicht mit Dieben. Sie pflegen ihnen ohne Federlesens die Hände abzuhacken – und bisweilen auch andere Körperteile, wenn du verstehst.«
Conn verstand durchaus. »Ich bin am Stück geblieben«, erklärte er mit freudlosem Grinsen. »Nach zwei Wochen stieß ich schließlich auf einen versprengten Heerhaufen von Franzosen. Ihnen schloss ich mich an.«
»Fraglos Provenzalen. Die Barbaren haben ihnen hart zugesetzt«, sagte Berengar.
»Ich begleitete sie bis Thessalonicum. Von dort ging ich allein weiter, bis ich Anschluss an einen fränkischen Nachschubtross fand. Auf diese Weise gelangte ich hierher.«
»Meine Anerkennung.« Berengar schürzte die Lippen. »V iele, die weiß Gott besser gerüstet waren als du, haben den Marsch durch das feindliche Land mit dem Leben bezahlt. Du scheinst tatsächlich vom Glück begünstigt, mein Freund.«
Conn schaute auf und blickte dem Mönch offen in die schmalen, von einem wachsamen Augenpaar beherrschten Züge. »Sicher nicht«, sagte er so endgültig, dass Berengar nicht widersprach.
»W as willst du nun anfangen?«, fragte der Benediktinermönch stattdessen.
»Nach meinen Begleitern suchen. Ich hoffte, sie hier zu finden, aber …«
»Unsere normannischen Verbündeten haben das Lager vor z wei Wochen verlassen. Sie waren die letzten, die Byzanz erreichten, und hatten es entsprechend eilig, ihren Marsch fortzusetzen, um an der Belagerung Nicaeas teilzunehmen.«
»Kann ich mir denken«, meinte Conn, der unwillkürlich an Bertrands Sorge denken musste, der Krieg könnte zu Ende sein, noch ehe sie am Schauplatz des Geschehens angekommen wären. Was hätte er in diesem Augenblick darum gegeben, mit dem redseligen Normannen zu sprechen oder auch nur von ihm verspottet zu werden.
»Die Eroberung Nicaeas ist eine strategische Notwendigkeit«, erklärte Berengar weiter, der in militärischen Belangen nicht unbeschlagen schien. »Die Stadt ist stark befestigt und der Herrschaftssitz des Sultans von Rum. Von hier aus kontrolliert er den Zugang nach Anatolien – und damit auch zum Heiligen Land.«
»Ich verstehe«, sagte Conn nur. Strategische Erwägungen waren ihm einerlei. Er hatte sich nie um das große Ganze gekümmert. Sein Interesse war es vielmehr, zu überleben und seine Kameraden zu finden.
»W ie es heißt, steht Nicaea kurz vor dem Fall. Kaiser Alexios hat zweitausend seiner Krieger zur Unterstützung ausgesandt, und ein Angriff, den Sultan Kilidj Arslan zur Entlastung der Verteidiger unternommen haben soll, ist fehlgeschlagen. Angeblich hatten deine normannischen Freunde daran nicht geringen Anteil.«
Conn nickte. Er konnte sich gut vorstellen, wie der hünenhafte Remy sein Schwert über den Köpfen der Heiden kreisen ließ. Vorausgesetzt, er war überhaupt noch am Leben.
»In den nächsten Tagen wird ein Kontingent von Nachzüglern das Lager verlassen, um die Truppen vor Nicaea zu verstärken, Provenzalen und Lothringer. Ihnen solltest du dich anschließen, wenn du rasch zu deinen Leuten gelangen willst.«
»Das werde ich. Ich danke Euch.«
»Und?«, hakte der Mönch mit einem Lächeln nach, das u nmöglich zu deuten war. »Brennst du schon darauf, deine Klinge in Heidenblut zu baden, junger Freund?«
»Sollte ich?«, fragte Conn dagegen.
Berengars Lächeln verschwand aus seinen Zügen. »Nein«, sagte er ebenso ernst wie entschieden. »Sicher nicht.«
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4.
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Östliches Mittelmeer
Mitte Mai 1097
Die See glich einer endlosen Fläche aus stumpf gewordenem Metall, in das der Hammer eines dem Irrsinn verfallenen Schmiedes unzählige Dellen geschlagen hatte. Obschon die Sonne hoch am
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