Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
hat keine Ahnung, wovon er spricht. All das hätte nicht geschehen dürfen, niemals! Es hätte nicht geschehen dürfen. Niemals …«
»V ater?« Als Chaya hörte, wie der alte Isaac immer dieselben Worte wiederholte, in dumpfer Monotonie wie jemand, der eine Beschwörungsformel sprach, schaute sie ihn verwundert an – und sah den fiebrigen Glanz in seinen Augen. »V ater! Was ist mit dir?«
Isaac Ben Salomon wandte den Blick und starrte seine Tochter an, wobei sie das Gefühl hatte, dass er geradewegs durch sie hindurch schaute. »Chaya«, hauchte er, »sieh, was aus uns geworden ist! Wir sind dem Schicksal ausgeliefert, ein Spielball der Wellen. Mein … mein Auftrag …«
Chaya erfuhr nie, was ihr Vater hatte sagen wollen, denn ein Stöhnen entfuhr seiner Kehle, und seine hagere Gestalt verkrampfte sich. Noch einen Augenblick lang hielt er sich aufrecht, dann brach er bewusstlos auf den Planken zusammen.
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5.
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Attalia
Zwei Wochen später
Wie sich gezeigt hatte, war Georgios nicht der einzige Kapitän, der sein Schiff lieber in einen sicheren Hafen gesteuert hatte, als es auf See einem ungewissen Schicksal auszusetzen.
Überall entlang der lykischen Küste drängten sich Kauffahrer und Handelsschiffe in den Häfen, die Schutz suchten vor dem Krieg, der draußen auf See entbrannt war. Und die Galeeren des Kaisers wiederum waren nicht die einzigen, die Tod und Zerstörung in diesen Teil der Welt trugen. Die Kreuzfahrer, deren Heere den langen Marsch nach Osten bewältigt hatten und nacheinander in Kleinasien eingetroffen waren, hatten das Seldschukenreich angegriffen und Nicaea erobert, und wie es hieß, unternahm der Sultan alles, um die Eindringlinge abzuwehren. Der Wahn, dessen zerstörerische Macht Chaya und ihr Vater bereits in Köln zu spüren bekommen hatten, hatte auch das Morgenland erreicht und drohte sie einzuholen.
In Attalia, wohin Georgios sein Schiff gelenkt hatte, fand Chaya Unterschlupf bei einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die auch dem kranken Isaac Obdach gewährte. Nach seinem Zusammenbruch auf dem Schiff hatte er das Bewusstsein nur noch selten zurückerlangt, und wenn, dann nur für kurze Zeit oder von Traumbildern umfangen, die auch im wachen Zustand nicht von ihm ablassen wollten.
E in rätselhaftes Fieber ergriff von ihm Besitz, das Chaya auch unter Aufbietung aller Heilkünste, die sie von ihrer Mutter erlernt hatte, nicht zu senken vermochte. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als die Silbermünzen ihres Vaters darauf zu verwenden, den Rat eines Arztes einzuholen. Auf Vermittlung der Kaufmannsfamilie kam sie an einen Mann namens Halikarnos, einen Griechen, der in Alexandrien Heilkunde studiert hatte und sich auf dem Weg nach Tarsus befand. Auch sein Schiff hatte einen sicheren Hafen angesteuert, sodass er vorerst in Attalia festsaß und dankbar für die Gelegenheit war, seine Kenntnisse in klingende Münze umzusetzen.
Meister Halikarnos untersuchte Isaac sorgfältig, konnte jedoch keine äußerlichen Gebrechen feststellen. Vielmehr kam er zu dem Schluss, dass der Zusammenbruch die Folge eines schwachen Herzens sei und das Fieber das Resultat ungezählter Strapazen, die den Kaufmann ausgezehrt hätten. Zudem war er der Ansicht, dass eine besondere Last auf Isaacs Seele ruhen müsse, und er ermahnte Chaya als dessen Diener dafür zu sorgen, dass sein Herr von Pflichten und Belastungen befreit werde. Chaya nickte nur und entgegnete nichts darauf. Hätte sie dem Arzt antworten sollen, dass ihr Vater eine uralte Schriftrolle hütete, deren Inhalt so geheim war, dass nicht einmal sie selbst ihn kannte?
Sie bekam Angst, nach ihrer Mutter nun auch noch den Vater zu verlieren, noch dazu inmitten unwirtlicher Fremde, deren Sprache und Gebräuche sie noch nicht einmal kannte. Tag und Nacht wachte sie an Isaacs Lager, kühlte seine glühende Stirn und legte ihm in Essig getränkte Verbände an, die die Hitze aus seinen Gliedern ziehen sollten. Dazu verabreichte sie ihm Kräuteraufgüsse und Tinkturen, die Halikarnos ihr gegeben hatte und von denen sie nur hoffen konnte, dass sie ihr Geld wert waren.
Eine Woche lang ging das Fieber nicht zurück.
Totenbleich lag der alte Isaac da, das weiße Haar hing in n assen Strähnen, Perlen von kaltem Schweiß übersäten die hohe Stirn. Sein Atem ging schwer, und immerzu formten seine Lippen unhörbare Worte, die auch dann nicht zu verstehen waren, wenn Chaya sich ganz zu ihm hinabbeugte. Bisweilen warf er den Kopf hin und her, so
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