Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
den Normannen zuerst, aber die Zeit reichte nicht aus, um ihn zu befreien. Kurzerhand ließ sich Conn auf die Knie fallen und richtete die Lanze auf, nur einen Lidschlag ehe der Seldschuke heran war.
Der ghulam war so überrascht von der plötzlichen Gegenwehr, dass er sein Pferd weder zügeln noch der Waffe ausweichen konnte. Die Lanzenspitze durchstieß die Brust des Tieres und drang in sein Herz. Wiehernd brach das Pferd in den Vorderläufen ein und kam zu Fall. Sein Reiter wurde kopfüber aus dem Sattel geschleudert, schlug hart gegen den Felsen und brach sich das Genick. Reglos blieb er liegen.
Conn, am ganzen Körper bebend und gleichermaßen entsetzt wie erleichtert, wandte sich dem Normannen zu.
»Seid Ihr verletzt, Herr?«
»Glücklicherweise nicht, und das verdanke ich wohl dir«, stieß der Ritter zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Die geröteten Züge mit der krummen Nase und den buschigen Brauen kamen Conn entfernt bekannt vor. Sicher hatte er den Mann bereits einmal gesehen, womöglich im Winterlager. »Aber dieser verdammte Gaul liegt auf mir, ich kann mich nicht bewegen.«
Conn kam ihm zu Hilfe. Obwohl beide erschöpft waren und dem Zusammenbruch nahe, gelang es ihnen, den Kadaver so weit anzuheben, dass der Normanne sein Bein darunter hervorziehen konnte. Schwerfällig richtete sich der Ritter auf, wobei Conn ihn stützen musste, damit er nicht gleich wieder niederging.
»W ird es gehen, Herr?«, fragte Conn.
» Du hast mir das Leben gerettet«, sagte der Normanne, der außer einigen Schrammen und Blessuren keine Verletzungen davongetragen zu haben schien. »Dieser Sarazene hätte mich getötet, wenn du nicht gewesen wärst.«
»Ich habe nur getan, was jeder getan hätte«, wehrte Conn ab, während er sich bückte, um ein herrenloses Schwert an sich zu nehmen. Die Schlacht hatte sich weiter nach Norden verlagert, und allem Anschein nach hatte das Geschehen eine Wendung genommen. Die Türken befanden sich auf dem Rückzug, die Kreuzfahrer setzten ihnen erbittert nach.
»Du hast weit mehr als das getan, Bursche«, war der Normanne überzeugt, streifte seinen linken Handschuh ab und zog einen goldenen, mit kunstvollen Ziselierungen versehenen Ring vom Finger. »Nimm dies als Zeichen meines Dankes.«
»Aber Herr, ich …«, wollte Conn verblüfft erwidern, als ihm der andere das Kleinod auch schon in die blutige Hand drückte.
»Nimm es. Es ist nur ein kleiner Teil dessen, was ich dir schulde.«
»Danke, Herr«, erwiderte Conn – dann wandte er sich ab, um sich wieder in den Kampf zu stürzen.
»W ie ist dein Name?«, rief der Normanne ihm hinterher.
»Conwulf«, rief Conn zurück.
Und die Schlacht ging weiter.
----
7.
----
Attalia
Anfang Juli 1097
Isaac Ben Salomons Zustand hatte sich merklich gebessert.
Es war ein langsamer, zäher Prozess gewesen, von zahlreichen Rückschlägen begleitet. Das Fieber der Erschöpfung hatte den Geist des alten Kaufmanns in finstere Abgründe gezerrt, aus denen er beinahe nicht wieder herausgefunden hätte; in ungezählten Nächten hatte Chaya an seinem Lager gewacht, während sein Bewusstsein im dunklen Niemandsland zwischen Traum und Wachen gefangen gewesen war. Mitunter, in lichten Momenten, hatte er die Augen aufgeschlagen und war ansprechbar gewesen. Oft hatte Chaya dann neue Hoffnung geschöpft und geglaubt, dass die Krise überwunden sei. Aber dann war das Fieber zurückgekehrt und der alte Isaac wieder in jenen Dämmerzustand gesunken, in dem er von Nachtmahren verfolgt wurde und sein Mund nur unverständliche Worte murmelte.
Indem sie ihm Kräuteraufgüsse einflößte und das Fieber zu senken suchte, tat Chaya, was menschenmöglich war. Der Rest, so hatte der Arzt ihr versichert, lag in Gottes Hand, und so betete Chaya zum Herrn, flehte ihn an, das Leben ihres Vaters zu schonen, der eine so große Aufgabe übernommen hatte – die wahren Dimensionen von Isaacs Mission freilich begann sie erst in diesen Tagen zu begreifen.
Wann immer sie nicht bei ihrem Vater weilte, las sie in d em geheimen Buch, dessentwegen sie eine so weite und gefahrvolle Reise auf sich genommen hatten. Je öfter sie es tat, desto leichter fiel es ihr, seine ungewöhnlich geformten Zeichen und die altertümliche Sprache zu verstehen. Anfangs hatte sie sich elend dabei gefühlt, ihren Vater zu hintergehen. Doch mit jeder Seite war sie tiefer in das Buch eingesunken, bis sie schließlich das Gefühl gehabt hatte, selbst ein Teil des Geheimnisses zu sein, das seit
Weitere Kostenlose Bücher