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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sie trafen. »Hier jedoch darf ich die sein, die ich bin, und ich bin nirgendwo lieber als hier bei dir.«
    »Dann bist du entweder auch eine Närrin oder hast nicht verstanden, was in der Welt vor sich geht. Meine Mission ist verloren, Chaya. Hast du nicht gehört, was geschehen ist? Die Fanatiker, die unter dem Banner des Kreuzes kämpfen, sind in das Reich der Türken eingefallen. Die ersten Städte haben sie schon erobert und sind nun auf dem Weg nach Süden.«
    »Ich habe es gehört, Vater«, bestätigte Chaya in einem Anflug von Trotz. »Aber noch haben sie das Land der Väter nicht erreicht. Noch ist Zeit, das Buch nach Antiochien zu Onkel Ezra zu bringen.«
    »Und du glaubst, dass uns das gelingen wird?« Der alte Isaac schnaubte voller Selbstverachtung. »Nachdem es mich mehr als ein Jahr und fast mein Leben gekostet hat, hierherzugelangen?«
    C haya nickte. Ihr Vater hatte recht. Am Tag nach Schawuot hatten sie ihre alte Heimat verlassen, und während er im Fieber gelegen hatte, war das Fest der Thora erneut begangen worden. »Moses hat vierzig Jahre gebraucht, seine Reise zu vollenden«, versuchte sie ihren Vater dennoch zu trösten.
    »Das ist wahr, aber am Ende dieser langen Zeit erreichte er ein Land, in dem Milch und Honig flossen, wenngleich es ihm nicht vergönnt war, es selbst zu betreten. Wir hingegen sind Reisende in einer von Gott verlassenen Welt.«
    »Noch hat der Herr der Welt nicht den Rücken gekehrt. Dass du das Fieber überlebt hast, ist der beste Beweis dafür. Gott will, dass wir das Buch an seinen Ursprungsort zurückbringen – und hast nicht du mir erklärt, dass es nicht unser, sondern Gottes Wille ist, der über unser Leben bestimmt?«
    Der alte Isaac antwortete nicht. Bedauern stand in seinem trüben Blick zu lesen, Schwermut und Trauer.
    »Der Herr hat dich erhalten«, fügte Chaya deshalb zur Bekräftigung hinzu, »weil er will, dass du zu Ende bringst, was du begonnen hast – und ich will es auch.«
    »Du, meine Tochter?« Er schaute sie fragend an.
    Chaya nickte. »Als ich an deinem Lager saß und nicht wusste, ob du wieder zu Kräften kommen oder am Fieber zugrunde gehen würdest, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich weiß jetzt, dass deine Absichten stets nur die besten waren, Vater, und wenn ich dir jemals das Gefühl gegeben haben sollte, dass ich dich bei deiner Aufgabe nicht unterstütze, dann bedaure ich das von Herzen und verspreche dir, es in Zukunft besser zu machen.«
    »Sei vorsichtig mit dem, was du versprichst, Tochter. Versprechen sind allzu leicht gegeben.«
    »Ich habe vor, das meine zu halten«, kündigte Chaya mit fester Stimme an, »sofern du auch weiter das tust, was du versprochen hast. Komm vollends zu Kräften, und dann lass uns nach Antiochia gehen, um zu Ende zu bringen, was wir angefangen haben.«
    » W illst du das wirklich?«
    »Allerdings, Vater.«
    »W arum?«
    Chaya zögerte.
    Sollte sie ihm sagen, dass sie sein Verbot übertreten, dass sie das Buch gelesen hatte? Dass sie das Geheimnis der Schriftrolle nun kannte und um die Wichtigkeit seines Auftrags wusste? Dass ihre eigenen Belange und Nöte ihr beinahe gleichgültig geworden waren angesichts jener großen, alles verändernden Worte?
    Sie starrte dabei auf den Boden der Kammer und dachte nach. Dann hob sie den Blick und lächelte sanft.
    »W eil wir es beide versprochen haben, Vater.«

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8.
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    Anatolisches Hochland
Mitte Juli 1097
    Es war mörderisch.
    In englischen Sommern, wenn die Sonne gegen Mittag ihren höchsten Stand erreicht und mit ihren Strahlen die Gassen von London in ein Labyrinth aus wabernder Schwüle und bestialischem Gestank verwandelt hatte, hatte Conn geglaubt zu wissen, was Hitze war.
    Ein Irrtum, wie er hatte einsehen müssen.
    Erst zwei Wochen lag die Schlacht im Tal des Kara Su zurück, die die Kreuzfahrer siegreich für sich entschieden hatten. Dennoch kam es Conn vor, als wäre seither eine Ewigkeit vergangen.
    Noch ganze zwei Tage lang hatten sie am Wegesrand die Leichen gefallener Türkenkrieger vorgefunden, die auf der Flucht erschlagen oder von Pfeilen getroffen worden waren. Nachdem sie Dorylaeum hinter sich gelassen hatten, war es hinauf gegangen in die Weite des anatolischen Hochlandes, das sich als schier endlose Wüstenei erwies, die dem durchziehenden Heer weder Obdach noch Nahrung bot – und das nicht nur, weil die Sonne erbarmungslos vom Himmel brannte und das ohnehin schon trockene, von Staub und Sand bedeckte Land am Tage in einen wahren

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