Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
es.
Und er gab es auf, Chaya ihr waghalsiges Vorhaben ausreden zu wollen. Er konnte sehen, wie verpflichtet sie sich ihrem Vater noch immer fühlte und dass Argumente sie nicht überzeugen würden.
»Männer«, fügte sie hinzu, leiser jetzt und sanfter, »führen oft das Wort Ehre im Mund, wenn es darum geht, ihre Taten zu rechtfertigen. Aber was ist mit der Ehre einer Frau? Gilt ein Versprechen, das eine Frau gegeben hat, nichts in Euren Augen?«
Conn erwiderte nichts, aber er nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte und ihre Entscheidung akzeptierte, auch wenn sie ihm nicht gefiel.
Ein Ruf erklang von draußen – die Wachschicht wurde gewechselt.
C onn erhob sich und verabschiedete sich von Chaya mit einem knappen Nicken. Dann verließ er ihr Zelt.
Weder bemerkte er den Schatten, der hinter der gedrungenen Behausung kauerte, noch ahnte er, dass ihr Gespräch belauscht worden war.
»Nein, nein und nochmals nein! Warum kannst du nicht hören, was ich sage? Hat der Allmächtige dir keine Ohren gegeben?«
Die Sonne war aufgegangen und ließ die die Senke umgebenden Felsen wie die Gemmen einer Krone erstrahlen. In Baldrics Züge jedoch drang keine Helligkeit. Düster hatten sie sich zusammengezogen, das eine Auge starrte Conn finster an.
»Ich höre, was du sagst«, versicherte dieser. »Aber ich bitte dich auch, mich anzuhören.«
»W ozu?«, schnaubte Baldric ungerührt. »W as du sagst, ergibt keinen Sinn! Warum willst du den Diener des ermordeten Kaufmanns unbedingt nach Antiochia begleiten?«
Conn schaute betreten zu Boden. Der Plan, Chaya auf ihrer gefahrvollen Reise zu begleiten, war während der zweiten Nachthälfte in seinem Kopf gereift, während er auf einem der Felsblöcke gestanden und in die von Mondlicht beschienene Ebene geblickt hatte. Fieberhaft hatte er darüber nachgedacht, was er tun, was er unternehmen konnte, um die Jüdin vor Schaden zu bewahren. Gegen Morgen, als der neue Tag bereits heraufdämmerte, war ihm die Lösung eingefallen. Vorausgesetzt, es gelang ihm, seinen Adoptivvater und Vorgesetzten von der Notwendigkeit dieses Schrittes zu überzeugen.
»W eil ich in Ilans Schuld stehe. Er war es, der in Genua meine Hand gerettet hat.«
»Und dafür hast du ihm das Leben gerettet, damals ebenso wie am gestrigen Tag.«
»Das sehe ich ebenso«, pflichtete Bertrand bei, der ebenfalls dabeistand, die Haare wirr wie immer. »Du hast deine Schuld mehr als beglichen, mein Freund.«
C onn seufzte und schüttelte den Kopf. Ihm dämmerte, dass nur die Wahrheit Baldric überzeugen konnte. »Isaac Ben Salomons Diener ist eine Frau«, sagte er leise.
»W as?«, fragten Baldric und Bertrand wie aus einem Munde.
»Ihr Name ist Chaya, und sie ist Ben Salomons Tochter«, fuhr Conn mit gedämpfter Stimme fort. Die Soldaten des Spähtrupps, die in einiger Entfernung ihre Pferde sattelten und sich bereit zum Aufbruch machten, brauchten dies nicht zu hören. »Sie reist als Mann verkleidet, um sich zu schützen.«
»W ie lange weißt du das schon?«, wollte Baldric wissen.
»Seit Genua.«
»Und du hast nichts gesagt?«
»W ar es denn von Belang?«
»V ermutlich nicht«, schnaubte der Normanne, »aber nun ist es von Belang, denn ein Krieger von Ehre ist verpflichtet, wehrlose Frauen und Kinder zu schützen …«
»… und deshalb muss ich Chaya nach Antiochien begleiten«, kam Conn auf sein ursprüngliches Anliegen zurück.
»W arum ausgerechnet Antiochia?«, wollte Bertrand wissen, dem die Sache ebenfalls nicht zu gefallen schien.
»W eil sie dort Verwandte hat«, erwiderte Conn. »Und weil es etwas gibt, das sie dem Bruder ihres Vaters übergeben muss.«
»Und danach?«
»W erde ich zurückkehren und mich erneut dem Heer Christi anschließen. Bitte zwing mich nicht dazu, ohne deine Erlaubnis zu gehen.«
»Das würdest du tun?«, fragte Baldric mit hochgezogener Braue.
»Ja«, antwortete Conn ohne Zögern, worauf Bertrand ein leises Kichern vernehmen ließ.
»Oha! Ich fürchte, unser angelsächsischer Freund wurde einmal mehr von einem Pfeil getroffen. Diesmal allerdings kam er von Amors Bogen.«
»W as soll das heißen?«, fragte Conn, der die Anspielung nicht verstand.
» Liebst du diese Jüdin?«, drückte Baldric es weniger poetisch, dafür aber umso deutlicher aus.
»Nein!«, widersprach Conn voller Entrüstung. »Ich bin nur der Ansicht, dass wir ihr das schuldig sind. Schließlich waren es unsere Leute, die ihren Vater getötet haben. Und sagtest du nicht selbst,
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