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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Familie de Rein die Stirn zu bieten.
    Nein.
    Conn würde für sich behalten müssen, was er wusste – so lange, bis er entweder eine Möglichkeit fand, sein Wissen gegen Guillaume de Rein einzusetzen, oder bis es nicht mehr von Bedeutung war.
    »Ich glaube«, meinte Baldric, und ein Anflug von Erleichterung war in seinen sonst so strengen Gesichtszügen zu lesen, »nun verstehen wir einander besser als zuvor.«
    »Ja, Vater«, versicherte Conn ohne Zögern. »Nun verstehen wir uns.«

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26.
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    Antiochia
Nacht zum 3. Juni 1098
    Der Name des Offiziers, der den südöstlichen Mauerabschnitt von den Ausläufern des Berges Silpius bis zum Turm der »zwei Schwestern« befehligte, war Firuz al-Zarrad.
    Firuz war kein mittelloser Mann.
    Anders als viele Kämpfer, die auf den Mauern und Türmen der Stadt den Wachdienst versahen, war er nicht zwangsverpflichtet worden, sondern gehörte der seldschukischen Garnison an, die die Zitadelle der Stadt besetzte. In den Diensten des Statthalters hatte er es zu einigem Ansehen gebracht. Dennoch war Firuz’ Unzufriedenheit in den letzten Wochen beständig gewachsen.
    Nicht genug damit, dass die Entsatzarmee der Emire von Damaskus und Hama vernichtend geschlagen worden war; auch eine weitere Streitmacht, die im Frühjahr herangeführt wurde und dem Oberbefehl Riwans von Aleppo unterstand, wurde in einer großen Feldschlacht besiegt. Und obwohl die Christen in ihrem Lager Hunger litten und es ihnen am Nötigsten fehlte, war die Einschließung Antiochias beständig vorangeschritten und umfasste seit geraumer Zeit auch die Südmauer der Stadt, wo die Kreuzritter einen Belagerungsturm errichtet hatten. Mit einer Verbissenheit, die selbst ihren Gegnern Respekt abnötigte, arbeiteten sie an der Einnahme der Stadt. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, d ass ihre Bemühungen irgendwann erfolgreich sein würden. Yaghi Siyan allerdings, der Emir der Stadt und Oberbefehlshaber der Garnison, weigerte sich noch immer, das Offenkundige zu begreifen – vielleicht aus Starrsinn, vielleicht auch aus Furcht vor der Strafe, die der Sultan für ihn bereithielt, wenn er die Perle am Orontes einfach aufgab.
    So hatte Firuz damit begonnen, sich seine eigenen Gedanken über die Zukunft zu machen. Über eine Reihe von Mittelsleuten war es ihm gelungen, Kontakt zu den Christen aufzunehmen und mit ihnen zu verhandeln. Schließlich war man zu einem Ergebnis gekommen, das für beide Seiten zufriedenstellend war. Für die Kreuzfahrer bedeutete es, dass sie endlich die Früchte ihrer Monate währenden Aussaat ernten würden. Firuz al-Zarrad hingegen würde sich nie mehr mit Geldsorgen herumschlagen müssen, denn die vereinbarte Bezahlung war großzügig.
    Der Turm der zwei Schwestern war auf Firuz’ Rat hin ausgewählt worden. Zum einen, weil er hier selbst Dienst tat und es für ihn als Kommandanten nicht weiter schwierig war, dafür zu sorgen, dass die benachbarten Türme und Wehrgänge in dieser Nacht nur spärlich besetzt waren. Zum anderen, weil der Turm im ohnehin weniger bewachten Süden der Stadt lag und die Distanz zur Zitadelle weit geringer war, als wenn man von Westen angriff. Alles war genau bedacht und vorbereitet worden. Man hatte Nachrichten ausgetauscht und Absprachen getroffen und war übereingekommen, dass diese Nacht am besten geeignet wäre, um das Vorhaben durchzuführen.
    Firuz war allein auf dem Turm.
    Die Wachen hatte er unter verschiedenen Vorwänden weggeschickt, die Fackeln gelöscht. Prüfend schaute er hinauf zum sternenübersäten Himmel, an dem eine bleiche Mondsichel hing.
    Noch eine Stunde bis Tagesanbruch.
    Es war so weit.
    Firuz bückte sich und hob das Seil vom Boden auf. Das e ine Ende schlang er um eine der alten Mauerzinnen, die seit den Tagen des Römers Iustinian über die Stadt wachten. Den Rest warf er nach draußen in die Dunkelheit und wartete.
    Wartete.
    Bis ein Ruck am Seil ihm zu verstehen gab, dass alles plangemäß verlaufen war. Firuz sog die laue Nachtluft tief in seine Lungen und genoss diesen letzten Augenblick der Stille. Dann fasste er das Seil und zog daran. Nicht ahnend, dass er damit den Lauf der Geschichte ändern würde.
    Der Zeitpunkt war gekommen.
    Jener Tag, auf den die Kreuzfahrer so lange gewartet und für den sie so aufopfernd gekämpft hatten, war endlich angebrochen. Vergangenheit, Gegenwart und sogar die Zukunft schienen einander in diesem Augenblick zu begegnen.
    Sechzig freiwillige Kämpfer unter dem Kommando Bohemunds

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