Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
leichtzufallen.
»Ich war nicht immer der, als den du mich kennst, Conwulf. Einst habe ich schreckliche Dinge getan, Junge. So entsetzlich, dass ich bis heute schwer daran trage.«
Conn schürzte die blutverkrusteten Lippen. Er ahnte, dass ihm nicht gefallen würde, was er zu hören bekam, aber er wollte die Wahrheit wissen. »W as für Dinge?«
Baldric schaute ihn lange an, dann brach er sein Schweigen. »Es war im Jahr der Eroberung. Herzog William hatte seine Truppen über den Kanal gebracht und verfolgte ein klares Ziel: Er wollte Harold Godwinson, der sich widerrechtlich zum König von England ausgerufen hatte, dazu zwingen, die Entscheidung in einer großen Feldschlacht zu suchen – und was war besser dazu angetan, den Zorn eines Herrschers und seiner Vasallen auf den Plan zu rufen, als deren Ländereien zu verwüsten, ihre Ernten zu verbrennen und ihr Vieh abzuschlachten?
Als der Feldzug begann, war ich ein junger Ritter. Überzeugt davon, dass die Ansprüche unseres Herzogs gerechtfertigt seien, f olgte ich William in den Krieg – gegen den ausdrücklichen Willen meines Vaters, der der Ansicht war, William sollte lieber zu Hause bleiben und sich darum kümmern, seine Herrschaft in der Normandie zu festigen.«
»Und?«, fragte Conn.
»Ich habe meinen Willen durchgesetzt, worauf mein Vater mich meines Namens und meiner Besitzungen enthob. Aber da ich überzeugt war, das Richtige zu tun, schloss ich mich dennoch dem Feldzug nach England an. Meinen Vater wie auch die heimatliche Burg habe ich niemals wiedergesehen. Da ich nun ohne Besitz war, wurde ich dem Befehl eines Ritters unterstellt, der nur wenig älter war als ich selbst und genau wie ich darauf brannte, sich im Dienst des Herzogs zu bewähren. Der Name dieses Ritters war Renald de Rein.«
»Ich verstehe«, murmelte Conn – deshalb also kannten sich die beiden. »W as ist dann geschehen?«
»W ir erhielten den Auftrag, ein angelsächsisches Dorf zu verwüsten, das sich unweit von Hastings befand. Wir kamen in der Nacht und trafen sie völlig unvorbereitet. Wir steckten die Dächer der Häuser in Brand und töteten das Vieh in den Ställen. Aber de Rein war der Ansicht, dass das noch nicht genügte. Er war so davon besessen, William zu gefallen, dass er uns befahl, die Bewohner des Dorfes ebenfalls zu töten und ihre Köpfe auf hölzerne Pfähle zu spießen, als Abschreckung für alle, die es sahen.«
Conn war bleich geworden, seine Schmerzen fühlte er kaum noch. Gebannt lauschte er Baldrics Erzählung, die weit mehr zu sein schien als ein bloßer Bericht, schon viel eher eine Beichte.
»W ir zögerten zunächst, de Rein jedoch nicht. Er ritt auf den Dorfältesten zu und enthauptete ihn, worauf Panik unter den Dorfbewohnern ausbrach. Wild schreiend liefen sie auseinander, und de Rein rief, wir dürften keinen von ihnen entkommen lassen, andernfalls werde er uns bitter dafür bestrafen. Also taten die Männer, was ihnen befohlen worden war.«
E r unterbrach sich und blickte starr vor sich hin. Conn hatte den Eindruck, als sehe Baldric auch nach all den Jahren noch immer die Gräuel jener Nacht vor sich.
»W ie Wölfe fielen wir über sie her, und ein schreckliches Morden entbrannte. Nicht nur die Männer, auch Frauen, Alte und Kinder wurden ohne Rücksicht getötet.«
»Und du?«, fragte Conn atemlos. »W as hast du getan?«
»Ich stand am Fluss und sollte darauf achten, dass niemand entkommt. Da sah ich plötzlich einen Jüngling auf mich zukommen. Er war ein wenig jünger als ich selbst, hatte einen Bart und blondes Haar, und ein Pfeil hatte ihn getroffen, der in seinem linken Unterarm steckte. Er versuchte, zum Fluss zu gelangen, um den Mördern zu entgehen, aber ich sah ihn kommen und versperrte ihm in den Weg.«
»Und dann?«
»Ich stellte ihn, und er fiel nieder. Ich stand über ihm, das Schwert in der Hand, und wollte zustechen. In seiner Sprache, die ich damals nicht verstand, flehte er um Erbarmen, und ich konnte die Angst in seinen Augen sehen.«
»Hast du ihn entkommen lassen?«
Baldric starrte weiter geradeaus, er schien Conn nicht ins Gesicht schauen zu wollen. »Nein«, gestand er leise. »Ich habe zugestoßen und sein Herz durchbohrt. Dann habe ich sein Haupt von den Schultern getrennt, genau wie de Rein es befohlen hatte. Die Furcht des jungen Angelsachsen und sein Entsetzen über meine Untat waren darin wie eingemeißelt.«
Erneut wurde es still im Zelt.
Conn wusste nicht, was er sagen sollte.
Obwohl jene Ereignisse
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