Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
und schaute verblüfft unter seinem Nasenschutz hervor.
»Dieser Schrei, dieses Heulen«, beharrte Guillaume ungehalten. »W er von euch ist das gewesen?«
Schon um dem bohrenden Blick seines Anführers zu entgehen, wandte sich Bernier zu seinem Hintermann um, der die unausgesprochene Frage weitergab. Doch keiner der rund zwanzig Reiter, die dem Trupp angehörten, wusste etwas zu erwidern.
»Ich … ich habe nichts gehört, Herr«, gestand Bernier vorsichtig. »Möglicherweise habt Ihr Euch geirrt?«
Der Blick, der aus Guillaumes grünen Augen stach, war so scharf wie der eines Raubvogels. Prüfend hielt er nach dem Schuldigen Ausschau, bis ihm der Gedanke dämmerte, dass er sich tatsächlich geirrt haben könnte.
»Möglicherweise«, erwiderte er nur, wandte sich wieder nach vorn und gab seinem Pferd die Sporen, um es rasch den steilen Pfad hinaufzutreiben. Seinen Erinnerungen entging er dadurch jedoch nicht.
Mit einer flammenden Ansprache war Peter Bartholomaios vor den Fürstenrat getreten und hatte erklärt, dass der Heiland s elbst ihm erschienen sei und die Eroberung Akkars wünsche – doch anders als zuvor in Antiochia zeigten die Fürsten sich unbeeindruckt. Vor allem Robert von der Normandie und dessen Geistlicher Arnulf von Rohes äußerten ihre Zweifel an der Vision, und es half auch nichts, dass Guillaume mit dem Mönch Desiderius einen zweiten Zeugen präsentierte, der vorgab, Bischof Adhémar in der Hölle gesehen zu haben, wo er für seine Zweifel an der Echtheit von Bartholomaios’ Weissagungen ewige Qualen erleide. Ein Gottesurteil wurde anberaumt, dem Bartholomaios sich stellen musste: Gelang es ihm, mit der Heiligen Lanze in der Hand über ein Bett aus glühenden Kohlen zu wandeln, ohne dabei Schaden zu nehmen, galten seine Visionen als bewiesen, und die Fürsten erklärten sich bereit, Raymond unter diesen Voraussetzungen bei der Belagerung Akkars unterstützen zu wollen.
Guillaume nahm nicht an, dass auch nur einer von ihnen daran geglaubt hatte, dass der Seher die Prüfung bestehen könnte – Bartholomaios jedoch war verblendet oder vielleicht auch wahnsinnig genug gewesen, sich auf das Wagnis einzulassen. Mit dem Speer in der Hand schritt er durch die schwelende Glut – und erlitt schwerste Verbrennungen.
Seit acht Tagen nun dauerte seine Todesqual schon an, und Guillaume schauderte beim Gedanken an das unmenschliche Geschrei, das vor allem nachts durch das Lager hallte und den Kreuzfahrern den Schlaf raubte. Es war einer der Gründe dafür, dass Guillaume es in diesen Tagen vorzog, Erkundungsritte in das Hinterland von Akkar zu unternehmen – Bartholomaios’ Schreie jedoch schienen ihn auch noch bis hierher zu verfolgen.
Endlich erreichte der Trupp den Grat der Erhebung, eine schmale Felskante, die so scharf war, als wäre sie mit dem Messer geschnitten worden. Karges Land erstreckte sich von hier gen Osten, in dem auch um diese frühe Jahreszeit nur vereinzelte Grasbüschel und Gestrüpp vegetierten. Erst weit jenseits davon, in der dunstigen Ferne allenfalls zu erahnen, erstreckte s ich die fruchtbare Ebene des Orontes, der diesen Landstrich in weiten Windungen durchfloss. Umso deutlicher fiel der Trupp von rund zehn Reitern ins Auge, die die Talsohle passierten.
»Die sehen wir uns näher an«, knurrte Guillaume, ließ die Zügel schnalzen und lenkte sein Pferd die andere Seite der Anhöhe hinab, gefolgt von seinen Leuten.
Die anderen Reiter, die in weite Umhänge gekleidet waren, sahen sie kommen, machten jedoch keine Anstalten zur Flucht, was vermuten ließ, dass sie ebenfalls Kreuzfahrer waren. Da jeder Lehnsherr seine eigenen Späher unterhielt und nach Gutdünken verfuhr, war es keine Seltenheit, dass Erkundungstrupps einander begegneten. Und mitunter machte man auch gemeinsame Sache, wenn es darum ging, ein Gehöft oder eine muselmanische Handelsstation zu überfallen.
Von weitem schon winkte Guillaume mit der Schwerthand, um seine friedliche Absicht zu bekunden. Der Anführer des anderen Trupps erwiderte die Geste, und schon wenig später standen sie einander gegenüber.
»Seid gegrüßt«, rief Guillaume, während er sein Pferd mit brutaler Gewalt zum Stehen brachte. »Mit wem habe ich die Ehre?«
»Hugh le Chasseur in den Diensten Herzog Godefroys de Bouillon«, erwiderte der schwarzbärtige Ritter, der keinen Helm, sondern nur eine Kapuze aus Kettengeflecht trug.
»Lothringer demnach«, erwiderte Guillaume nicht ohne Geringschätzung – Bouillon war der
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