Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
zuvor die weite Leere bewacht hatten, und er werde sich vermehren und ausdehnen, und irgendwann, wenn Gott die Zeit gekommen sähe, würde der Garten über die Grenzen des Wüstenherzens wuchern und für jedermann sichtbar werden.
Ja, sagte Albertus, so werde es wohl geschehen.
Wie sehr er glauben wollte! Wie sehr ich selbst glauben wollte.
Alles ist wahr, sagte ich.
Ich schwöre bei Gott, alles ist wahr.
EPILOG
Die Eifel
Anno domini 1258
D ie Trümmer des Aquädukts hatten den Bach gestaut, der durch die Schlucht am Fuß des Klosterfelsens floss. Jetzt sprudelten ein Dutzend kleiner Rinnsale durch den zerklüfteten Ziegelschutt, fügten sich weiter unten wieder zusammen und strömten talwärts wie zuvor, als wäre ihr Lauf nie unterbrochen gewesen.
Als Aelvin nach Monaten zum ersten Mal wieder das Kloster der Zisterzienser vor sich sah, dachte er, dass sich auch hier nichts verändert hatte. Äußerlich unbeeinflusst von den Ereignissen des vergangenen Winters ging das Leben der Mönche weiter wie eh und je.
Schon von weitem hatte er die Glocken läuten hören, ihr Klang wehte weit über die leuchtenden Herbstwälder. Sie gaben ihm ein Gefühl von Heimat, das er vor seinem Aufbruch nie für möglich gehalten hätte. Er hatte sich im Kloster niemals heimisch gefühlt, er hatte nicht einmal recht gewusst, was das eigentlich bedeutete: Heimat. Jetzt aber fühlte er es sehr wohl, obgleich er es nach wie vor nicht hätte in Worte fassen können. Die Fremde verklärt sich erst, wenn man sie hinter sich lässt; der Ort aber, den man Heimat nennt, ist immer verklärt. Sonst wäre es nur der Platz, an dem man lebt.
Er erzählte Libuse von diesen Gedanken, und da schmunzelte sie, wollte aber nicht widersprechen. Sie dachte wohl an den Turm im Wald.
Im Kloster empfingen ihn die Mönche mit Verwunderung und Neugier. Jedem fiel gleich ins Auge, dass er keine Mönchstracht mehr trug und sein Haar hatte wachsen lassen. Ganz abgesehen von dem rothaarigen Mädchen an seiner Seite, das keiner von ihnen vergessen hatte.
Aelvin händigte Abt Michael ein Schreiben des Magisters aus, das dieser ihm bei ihrer Trennung am Kreuzweg gegeben hatte, bevor er weiter nach Köln gezogen war. Er sei dort sicher, hatte er beteuert. Seine Stellung im Orden schütze ihn vor Konrads Rache, und die Bürgerschaft der Stadt sei ihm wohl gesonnen.
Aelvin hatte den Brief nicht gelesen, aber er wusste, was darin stand: dass Albertus ihn seines Gelübdes enthoben und, viel wichtiger, Aelvin und Libuse auf einem Schiff im Roten Meer getraut hätte. Dass sie nun Mann und Frau waren und der Abt ihnen jegliche Hilfe zubilligen sollte. Dass beide eine Reise hinter sich hatten, die ganz im Zeichen des Allmächtigen stand, und dass sie sich verdient gemacht hatten um Gottes Ansehen und Ehre und vielleicht gar um das weitere Schicksal der Christenheit.
Eine Menge hohler Worte, vermutete Aelvin, doch auf den Abt verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Er beköstigte sie mit allem, was das Kloster aufzubieten hatte, und machte jeden nur denkbaren Versuch, ihnen eine detaillierte Schilderung ihrer Erlebnisse zu entlocken. Ein wenig erzählten sie ihm, sprachen auch von Favolas Opfer und dem Erfolg ihrer Mission, und vergaßen nicht, die Verbrechen des Erzbischofs zu erwähnen. Der Abt nickte wissend, denn er hatte Konrad von Hochstaden nie gemocht, und er stimmte ihnen zu, dass es besser für sie sei, diese Gegend so bald als möglich zu verlassen. Der Erzbischof sei kein Mann, der schnell vergesse oder gar verzeihe. Falls es eines Beweises dafür bedürfe, müsse man sich nur vor Augen führen, wie es einst dem Leeren Ritter Ranulf ergangen sei.
Aelvin brachte eine Bitte vor, und nach einigem Für und Wider stimmte der Abt ihm zu.
So ging Aelvin nach dem Essen hinaus vors Kloster. Mithilfe einer Leiter und eines langen Steckens hob er die Rüstung des Leeren Ritters Ranulf von ihrem Platz. Scheppernd fielen Harnisch und Helm zu Boden. Der Pfahl wurde ausgegraben und hinab in die Schlucht geworfen. Das Loch im Boden aber erweiterten Aelvin und die Mönche mit Schaufeln, und sie legten das rostige Rüstzeug hinein und mit ihm alle Knochenreste, die sie fanden. Der Abt persönlich sprach ein Gebet über das Grab und erklärte es zum Mahnmal für die Grausamkeit des Erzbischofs und zum Ort der Erinnerung an die Tapferkeit Einzelner.
Es gab noch einen zweiten Besuch zu machen, und auch er führte Aelvin zu den Toten.
Auf dem Friedhof des Klosters saß er
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