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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hieb wie ein Windstoß. Ein Fauchen, ein Schnitt.
    Der Körper des Nizari brach in die Knie, kippte vornüber und besprühte ihr Gewand. Rote Tropfen öffneten sich wie Blumen im weißen Sand.
    Mit einem Lächeln richtete sie die Schwertspitze gegen ihr eigenes Herz und stieß das Tor zu Gottes Garten auf.
    AELVINS CODEX ( II )
    I c h habe gelernt, dass es einen Unterschied macht, ob man etwas niederschreibt oder es ausspricht. In meinem ledernen Codex gerinnen die Worte zu Buchstaben und bilden hauchfeine Äderchen zwischen den Fasern des Pergaments, so als wollten die Zeilen einander berühren und ihre eigene Ordnung finden. Vielleicht würden sie die Geschichte auf andere Weise erzählen, als ich es vermag. Womöglich wäre ihre Schilderung glaubhafter als die meine. Ich würde sie gerne hören.
    Einen besseren Lügner gibt es immer.
    *
    Libuse und ich brauchten lange, um aus dem Herzen der Wüste zurückzukehren. Ich hatte keine offenen Wunden davongetragen, lediglich eine Reihe schmerzhafter Prellungen und womöglich eine gebrochene Rippe. Das Durchatmen fiel mir noch immer schwer, aus vielerlei Gründen.
    Libuse stützte mich den ganzen Weg über, und als wir uns der unsichtbaren Grenze des Wüstenherzens näherten und das Lager der Qurana in der Ferne entdeckten, da kroch auch schon die Dämmerung über den Himmel. Niemals sah ich einen schöneren Sonnenaufgang als diesen, ganz rosa war er und verlief tintig in das herrlichste, leuchtendste Blau.
    Wir blieben eine Weile stehen und betrachteten das Spektakel dieses Morgens. Das Land Eden erstreckte sich leer und weit und öde unter diesem Himmel, doch die ersten Sonnenstrahlen färbten es rot und brachten es zum Flirren. Mir schien der Sand von innen heraus zu glühen, was Einbildung sein konnte, doch heute möchte ich glauben, dass es tatsächlich so war. Die Vorstellung macht mir Mut und lässt mich hoffen.
    Schon von weitem erkannte ich Albertus zwischen den Qurana. Er erwartete uns voller Unruhe, und als wir nahe genug heran waren, um sein Gesicht zu erkennen, sah ich das Wechselspiel aus Sorge, Erleichterung und maßloser Anspannung in seiner Miene. Er begrüßte uns atemlos und voll unheilschwangerer Ahnung, und sogleich wollte er wissen, was aus Favola geworden sei. Wir versprachen, ihm alles zu berichten, doch erst brauchten wir Wasser und vielleicht etwas vom zähen Antilopenfleisch der Qurana. Und obgleich sie unsere Worte nicht verstehen konnten, kamen eilends einige von ihnen herbei und brachten uns ihre Schläuche aus Ziegenleder und ein paar Brotfladen. Niemanden wunderte diese Fürsorge mehr als Libuse, die mit dem Schlimmsten gerechnet hatte; schließlich hatte sie gegen das oberste Gesetz der Qurana verstoßen und unerlaubt das Wüstenherz betreten.
    Als aber niemand Anstalten machte, sie zu bedrohen, wollte sie wissen, was mit Sinaida geschehen war. Das Letzte, was Libuse von ihr gesehen hatte, war ihr Kampf mit dem Stammeskrieger gewesen, und sie fürchtete, dass Sinaida das Gefecht nicht überlebt hatte. Albertus senkte das Haupt und deutete auf eine Stelle am Fuß einer Düne. Er hatte aus zwei Pfeilen ein Kreuz geformt und auf den flachen Sandhügel gesteckt, der Sinaidas Grab markierte. Er erklärte uns, was vorgefallen war, berichtete von Shadhans Ende und Sinaidas Entscheidung, Khur Shah in den Tod zu folgen, und dass die Qurana keine Schuld trügen am Schicksal der Mongolin. Gewiss, e r b illigte ihre Tat keineswegs. Und doch war das Begräbnis, das er ihr hatte angedeihen lassen, ein christliches gewesen, was im Widerspruch stand zu ihrem Freitod, wie auch zu ihrem Glauben an ein Wiedersehen mit Khur Shah. Aber wie so manch andere Überzeugung des Magisters hatte auch die von der Unantastbarkeit des eigenen Lebens angesichts der Ereignisse gelitten. Behaupte nur keiner, mir allein seien im Laufe unserer Reise Zweifel an den Gesetzen der Heiligen Mutter Kirche gekommen.
    Libuse und ich traten an das Grab unserer Gefährtin, und zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich sie eigentlich gemocht hatte. Ich hatte zuvor nie einen Gedanken daran verschwendet, und nun überkam mich ein schlechtes Gewissen. Ich trauerte um sie, und wir vergossen beide unsere Tränen, aber mir schien, dass Libuse stärker litt als ich. Sie hatte Sinaida während der Belagerung Bagdads schätzen gelernt und Seite an Seite mit ihr gekämpft. Als ich sie später fragte, ob Sinaida für sie eine Freundin gewesen sei, sagte sie ja, und ich glaube, es war ihr ernst

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