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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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    Der schwarze Kleinbus mit den dunklen Fenstern stand direkt an der Einfahrt zur Landepiste.
    Luk entdeckte den Wagen, als der Pilot die Nase der einmotorigen Maschine so abrupt nach unten drückte, dass Judith erschrocken nach Luks Arm griff.
    Genervt schüttelte Luk ihre Hand ab. War doch klar, was Hansen vorhatte. Die ganze Zeit schon hatte er versucht, seine beiden Passagiere mit seinen Flugkünsten zu beeindrucken. Aber Luk hatte sich die Kappe ins Gesicht gezogen und gepennt. Nur ein paar Mal hatte er kurz nach unten gelinst, aber erst als Judith endlich aufgehört hatte, ihn dauernd anzustoßen und nach draußen zu zeigen. »Diese Rillen da unten im Watt. Wahnsinn, Luk! Guck doch mal runter!«
    Luk grinste, als die Maschine mit einem ziemlichen Wumm auf der Graspiste aufsetzte und gleich wieder hochgeworfen wurde. Hansen fluchte unterdrückt. Er hatte anscheinend ein paar Meter zu spät aufgesetzt. Ein, zwei Sekunden lang überlegte er wohl, ob er nicht lieber durchstarten sollte. Aber das wäre dann doch zu blamabel gewesen. Wütend stieg er auf die Bremse.
    Judiths Fingernägel bohrten sich in Luks Arm, als die Cessna Skylane nach links ausbrach. Erst fünf Meter vor
den rot-weißen Warnstreifen, die das Ende des Flugfelds markierten, brachte Hansen den Flieger endlich zum Stehen.
    »Schade«, sagte Luk. Er zeigte auf den breiten Graben direkt hinter der Warnmarkierung. »Hatte mich schon auf’ne gepflegte Bruchlandung gefreut.« Er fummelte nach der Türsicherung.
    »Sitzen bleiben!«, knurrte Hansen. Er war eigentlich Bauer. Fliegen war sein Hobby.
    Luk überlegte, ob er nicht doch einfach rausspringen sollte. Aber dann fiel ihm ein, wo sein Bike stand. Gleich neben dem Tower hatte er es gegen das Metalltor gelehnt.
    Er ließ sich in den Sitz zurücksinken. Das waren garantiert 400 Meter. Vielleicht sogar noch mehr. Warum sollte er laufen, wenn er sich auch kutschieren lassen konnte?
    »Luk«, sagte Judith neben ihm. Ihre Stimme klang piepsig nach der Angst, die sie gerade ausgestanden hatte. Aber sie war schon wieder am Ball. »Luk, ich muss mit dir reden.«
    Luk reagierte nicht. Wozu auch? Er wusste auch so, was Judith von ihm wollte. Seit Wochen schon war sie hinter ihm her. Wir müssen mal reden, Luk! Sie hatte an der Schule einen Lehrgang mitgemacht und war jetzt »Konfliktmoderatorin« oder so was. Wahrscheinlich hatte ihr Herz einen Luftsprung gemacht, als er sie vorhin angerufen hatte. Endlich hatte sie ihn so weit.
    Dabei war ihm einfach so schnell kein anderer eingefallen. Der Gutschein, den seine Großmutter ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, galt für zwei. Und heute war der letzte Tag. »Ich hab Hansen extra noch mal angerufen«, hatte die Alte vorhin am Telefon genervt. »Morgen ist der Gutschein verfallen. Da fackelt der nicht lange. Und ich übrigens auch nicht, Luk. Ich bezahl doch nicht für einen Gutschein, den du dann nicht einlöst. Dann kannst du deinen Führerschein
auch gleich in den Schornstein schreiben. Dafür kriegst du keinen Cent von mir. Wen nimmst du denn mit?«
    Luk überlegte, was er sagen sollte.
    »Oder soll ich mitkommen? Ich spring schnell in den Wagen und …«
    »Judith«, hatte er sie unterbrochen.
    »Ein Mädchen?« Er wusste doch, was sie hören wollte. Ihre Stimme klang auf einmal hocherfreut. »Kenne ich sie?«
    »Ich muss Schluss machen, Oma. Ich muss Judith noch anrufen.«
    »Ja, tu das, Junge.«
    Luk hatte grinsen müssen. Sie glaubte fest daran, dass sich alles ändern würde, wenn er erst mal eine Freundin hatte. Was Festes.
    Ausgerechnet Judith!
    Die sah zwar gut aus. Aber irgendwas störte ihn an ihr. Vielleicht, dass sie immer so genau wusste, was sie wollte.
    »Wirklich, Luk, wir müssen unbedingt miteinander reden! Wegen des Gläsernen Bahnhofs zum Beispiel. Da warst du doch dabei, oder?«
    Sie versuchte wieder, nach seinem Arm zu greifen, als Hansen die kleine Propellermaschine neben der rot-grünen Gartenlaube, die ihm als Tower diente, zum Halten brachte.
    Luk hatte die Tür der Cessna schon aufgestoßen. Er sprang aus der Maschine, stapfte durch das ein wenig feuchte Gras auf das angerostete Metalltor zu und flankte lässig drüber hinweg. Bald würde die Dämmerung einsetzen. Ohne sich noch einmal umzusehen, schwang er sich auf sein Bike und fuhr los.
    »Luk!«, rief Judith wieder.
    Luk ignorierte sie nicht einmal. Er hatte sie längst vergessen.
    Genau wie den schwarzen Kleinbus, der noch eine ganze Weile am Rand des Feldwegs stehen blieb.

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