Das Camp (Sartos) (German Edition)
hätte er sich auf den Sand geworfen und sich in ihm vergraben. Er hatte eine grauenvolle Angst. Am liebsten würde er die Augen zumachen und wie ein wilder los paddeln.
Das Wasser reichte ihn wieder bis an die Hüfte. Ein Drittel hatte er hinter sich. Jetzt ging es bis an die Brust. Gleich ist es geschafft.
„Verdammt! Ich seh sie nicht mehr!“, rief Trevor.
Rory erstarrte. Der alte Spruch, dass die gefährlichsten Haie, die sind, die man nicht sieht, kam nicht von ungefähr. Er wusste, dass er machen mustte, dass er aus dem wasser kam, aber er war wie paralysiert.
„Los, Rory! Beweg dich! Oder soll ich dich huckepack heraustragen?“, rief Troy, die ununterbrochen das Wasser absuchte.
Vorsichtig bewegte er sich weiter. Noch fünf Meter, noch drei Meter.
Der Hai kam so schnell angeschossen, dass er schon da war, bevor die anderen ihren Warnruf ausgestoßen hatten.
Rory sah das aufgerissene Maul und wusste, dass er keine Chance mehr hatte, das rettende Ufer zu erreichen. Bevor die messerscharfen Zähne sich in seinen Körper schlugen, klappte der Kiefer zu und verschwand unter Wasser. Troys Gewicht auf seinem Schädel hatte ihn dazu veranlasst. Mit einem gewaltigen Sprung war sie mitten auf dem Hai gelandet. Bevor der sich von seiner Überraschung erholen konnte, waren die beiden aus dem Wasser gehechtet.
„Dem Himmel sei Dank, dass die anderen beiden Biester nicht mitgekommen waren“, keuchte sie erschöpft.
Rory lag auf den Knien und hielt sich den Bauch.“
„Was ist los? Hat er dich erwischt?“
„Nein, mir ist nur speiübel.“ Mit einem Schwall beförderte er die Reste seines Mittagessens auf den Strand.
„Na, wenigstens ist es keine Blutlache“, meinte Troy trocken.
Er zog sich das Band vom Kopf und reichte es ihr.
„Danke, Troy.“
„Dito.“
Obwohl Troy es tunlichst unterlassen hatte, von dem Vorfall zu Hause zu erzählen, war es ihren Eltern zwei Tage später zu Ohren gekommen und sie durfte den Rest ihrer Probationszeit auf der elterlichen Farm verbringen. Ihr Vater hatte ihr angekündigt, sie eigenhändig ins Camp zu schleifen, sollte sie jemals wieder auf die Idee kommen, sich in der Bucht herumzutreiben.
Etwas Gutes war bei der ganzen Sache zumindest herausgekommen,- Rory Gentry hatte aufgehört sie zu piesacken. Bei der Maisernte, in der darauf folgenden Woche, hatte er ihr sogar geholfen, die schwere Kiepe zu tragen.
Erntefest
Es gab nicht viele Festivitäten auf der Insel, da diese an sich schon gegen das Gebot der Schlichtheit verstießen. Schlichtheit und Zufriedenheit gehörten zu den höchsten Werten der Gemeinschaft, was sich auch schon im Kleidungsstil widerspiegelte. Quer durch alle Stände trugen, Männer wie Frauen, schlichte Hosen, die mit einem Zug gebunden wurden. Darüber kam ein sackartiger Überwurf, Leinen im Sommer, Wolle und Filz im Winter, der mit einem Gürtel gehalten wurde. Das Schuhwerk war ähnlich schlicht. Absatzlose Slipper, im Winter Stiefel. Die Civis trugen gedeckte Beige und Erdtöne, die Securitas Blautöne und die Praezeptoren kleideten sich in Grün. Rot war den Nobilitas vorbehalten, wobei sie auch alle anderen Farben tragen durften.
So identisch der Schnitt der Kleidung war, so unterschiedlich war die Qualität der selbigen. Leinen und Baumwolle für die unteren Stände, Seide und Damast für die Nobilitas und die reichen Kaufleute der Praezeptoren.
Lediglich einmal im Jahr, zum Erntefest, durfte jeder, die Farben und Gewänder anlegen, die er wollte.
„Lieber Himmel, Troy! Jetzt zieh doch das schöne Kleid an.“
Ihre Mutter hielt ihr ein türkisfarbenes Gewand unter die Nase, das mit sorgfältig aufgestickten Applikationen und kleinen Perlen verziert war.
„Wozu? Wir müssen das ganze Jahr über herumlatschen wie etwas, das die Katze aus dem Kompost gezerrt hat, da muss ich mich doch nicht wie ein Festbaum herausputzen, bloß wegen dem dämlichen Erntefest.“
Troy verschränkte die Arme über der Brust und blickte ihre Mutter herausfordernd an.
„Sehr erwachsen, muss ich schon sagen.“ Will zupfte seinen nachtblauen Festüberwurf zurecht und warf seiner Schwester einen missbilligenden Blick zu.
„Also, ich freue mich, dass wir uns alle so hübsch machen“, plapperte ihre kleine Schwester und zupfte
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