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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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»Zweimal«, antwortete Fœdora; »du bist wohl auf einmal taub?« – »Ich bereitete die Mandelmilch für Madame.« Justine kniete sich nieder, löste die kreuzweise geschlungenen Schnürbänder und zog dann ihrer Herrin die Schuhe aus, die sich indes in einem Lehnstuhl am Kamin rekelte, gähnte und sich den Kopf kratzte. Alles in diesen Bewegungen war durchaus natürlich, und kein Zeichen verriet mir die geheimen Schmerzen oder die Leidenschaften, die ich vermutet hatte. – »Georg ist verliebt«, sagte sie, »ich muß ihn entlassen. Hat nicht er heute abend noch die Vorhänge herabgelassen? Was fällt ihm ein?« Als ich das hörte, strömte mir alles Blut zum Herzen; aber es war weiter keine Rede mehr von den Vorhängen. »Das Leben ist sehr schal«, fuhr die Comtesse fort. »Au! gib acht, daß du mich nicht wieder kratzt wie gestern. Hier, sieh mal her«, sagte sie und zeigte ihr ein kleines Knie, das wie Atlas schimmerte, »da hab ich noch den Stempel deiner Ungeschicklichkeit.« Sie fuhr mit ihren nackten Füßen in die mit Schwanenpelz gefütterten Samtpantoffel und zog ihr Kleid aus, während Justine einen Kamm nahm, um ihr die Haare zu ordnen. – »Sie müssen heiraten, Madame, und Kinder bekommen.« – »Kinder! Das fehlte mir gerade noch!« rief sie. »Einen Mann! Wo ist der Mann, dem ich mich ... War ich gut frisiert heute abend?« – »Nicht sehr gut.« – »Du bist dumm.« – »Nichts steht Ihnen schlechter, als wenn Sie Ihr Haar zu sehr kräuseln«, erwiderte Justine. »Große, lange Locken kleiden Sie viel besser.« – »Wirklich?« – »Gewiß, Madame, feingekräuseltes Haar steht nur Blondinen.« »Mich verheiraten? Nein, nein! Die Ehe ist ein Schacher, für den ich nicht geschaffen bin.« Was für eine schreckliche Szene für einen Liebenden! Diese einsame Frau, ohne Eltern, ohne Freunde, eine Atheistin der Liebe, die an keine Empfindung glaubte und, so schwach auch in ihr das jedem menschlichen Wesen eigene Bedürfnis, sein Herz zu ergießen, sein mochte, um es zu befriedigen, war sie gezwungen, mit ihrer Zofe zu plaudern, ein paar trockene Redensarten oder Nichtigkeiten zu sagen! Sie tat mir leid. Justine schnürte sie auf. Ich betrachtete sie neugierig, als der letzte Schleier weggenommen wurde. Sie hatte einen jungfräulichen Busen, der mich blendete; beim Schein der Kerze schimmerte ihr weißer und rosiger Körper durch das Hemd durch wie eine Silberstatue unter einer Gazehülle. Nein, keinerlei Unvollkommenheit mußte sie die verstohlenen Blicke der Liebe fürchten lassen. Ach, ein schöner Körper siegt immer über die heldenhaftesten Entschlüsse. Die Herrin saß stumm und nachdenklich vor dem Feuer, während die Zofe die Kerze der Alabasterlampe, die vor dem Bett hing, anzündete. Justine holte eine Wärmflasche, machte das Bett zurecht und half ihrer Herrin, sich schlafen zu legen; dann hatte sie noch allerlei kleine Dienste zu verrichten, die von der tiefen Verehrung zeugten, die Fœdora für sich selber hegte, und ging schließlich. Die Comtesse warf sich ein paarmal hin und her; sie war aufgeregt, sie seufzte; von ihren Lippen drang ein leichtes Geräusch, das ihre Ungeduld verriet; sie streckte die Hand nach dem Tisch aus, nahm ein Fläschchen und goß einige Tropfen eines braunen Saftes in ihre Milch, ehe sie trank; endlich nach etlichen qualvollen Seufzern rief sie: »Mein Gott!« Dieser Ausruf und vor allem der Ton, der darin lag, fielen mir schwer aufs Herz. Unversehens lag sie ganz reglos. Ich bekam Angst; aber bald vernahm ich den gleichmäßigen und tiefen Atem der Schlafenden; ich schlug die rauschende Seide der Vorhänge zurück, verließ meinen unbequemen Posten und stellte mich an das Fußende ihres Bettes. Ich betrachtete sie mit einem unbeschreiblichen Gefühl. Sie war entzückend, wie sie so dalag. Sie hatte den Kopf wie ein Kind auf den Arm gelegt; ihr ruhiges, schönes Antlitz, in Spitzen gehüllt, hatte einen solchen Liebreiz, daß ich hingerissen war. Ich hatte mir zuviel zugetraut und hatte nicht bedacht, welche Marter ich auszustehen hatte: ihr so nahe und zugleich so fern zu sein! Ich mußte alle Qualen erleiden, die ich mir selbst geschaffen hatte. »Mein Gott!« dieses Bruchstück eines unbekannten Gedankens, das ich nun als einzige Erleuchtung mit mir nehmen sollte, hatte mit einem Schlage meine Meinung über Fœdora geändert. Dieses Wort konnte unbedeutend oder tief, inhaltlos oder voller Wirklichkeit sein, konnte sich auf Glück oder auf Kummer, auf

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