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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sind ohne die mindeste Ähnlichkeit mit dem Ich der Zukunft und dem Ich der Vergangenheit. Ich hatte sie nie so strahlend schön gesehen. – »Wissen Sie«, sagte sie lächelnd, »daß Sie meine Neugier erregt haben?« – »Ich werde Sie nicht enttäuschen«, erwiderte ich kalt. Ich setzte mich neben sie und ergriff ihre Hand. Sie ließ sie mir. »Sie haben eine sehr schöne Stimme!« – »Sie haben mich nie singen hören!« rief sie mit einer erstaunten Bewegung. – »Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, wenn es nötig sein wird. Sollte denn Ihr entzückender Gesang ein Geheimnis sein? Beruhigen Sie sich, ich will es Ihnen nicht entreißend.« Wir plauderten ungefähr eine Stunde vertraulich miteinander. Nahm ich auch den Ton, das Auftreten und die Gesten eines Mannes an, dem Fœdora nichts verweigern konnte, wahrte ich dabei doch den ganzen Respekt eines Liebenden. Durch dieses Spiel erlangte ich die Gunst, ihr die Hand küssen zu dürfen; sie zog mit einer allerliebsten Bewegung den Handschuh aus, und ich wiegte mich so wollüstig in dem Wahn, an den ich mit Gewalt glauben wollte, daß sich meine ganze Seele in diesen Kuß ergoß. Fœdora ließ sich mit unglaublicher Nachgiebigkeit schmeicheln und liebkosen. Aber halte mich nicht für albern: einen Schritt über diese brüderliche Zärtlichkeit hinaus, und ich hätte die Krallen der Katze zu spüren bekommen. Zehn Minuten etwa blieben wir in tiefes Schweigen versunken. Ich überließ mich der Bewunderung; ich lieh ihr Reize, die sie nicht hatte. In diesem Augenblick gehörte sie mir, mir allein. Ich besaß dieses entzückende Geschöpf, wie es erlaubt war, sie zu besitzen: in der Anschauung und im Geiste; ich hüllte sie in meine Sehnsucht, hielt sie, drückte sie an mich, meine Phantasie vermählte sich mit ihr. So überwand ich die Comtesse kraft einer magnetischen Faszination. Ich habe es deshalb immer bedauert, daß ich mir diese Frau nicht völlig unterwarf; aber in diesem Augenblick begehrte ich nicht ihren Leib, ich wollte eine Seele haben, ich dürstete nach einem Leben, nach jenem idealen und vollkommenen Glück, nach dem schönen Traum, an den wir nicht lange glauben. – »Madame la Comtesse«, sagte ich endlich zu ihr, da ich fühlte, daß die letzte Stunde meines Rausches gekommen war, »hören Sie mich an. Ich liebe Sie, Sie wissen es, ich habe es Ihnen tausendmal gesagt, Sie hätten mich verstehen müssen. Ich wollte Ihre Liebe nicht einer geckenhaften Zurschaustellung noch albernem Schöntun oder törichten Zudringlichkeiten verdanken und bin darum nicht verstanden worden. Wie viele Mißhelligkeiten habe ich um Ihretwillen erduldet, an denen Sie dennoch unschuldig sind. Aber noch ein paar Augenblicke, und Sie werden über mich urteilen können. Es gibt zweierlei Elend, Madame la Comtesse. Das eine geht schamlos und in Lumpen auf der Straße, es nimmt, ohne es zu wissen, das Leben des Diogenes wieder auf, nährt sich von wenigem, führt das Leben auf die Einfachheit zurück; es ist vielleicht glücklicher als der Reichtum, ist wenigstens sorglos; es nimmt die Welt da, wo die Reichen nichts mehr von ihm wollen. Dann gibt es das Elend des Luxus, ein spanisches Elend, das den Bettelstab hinter einem Titel versteckt; es ist stolz und mit Federn geschmückt, dieses Elend mit weißer Weste und gelben Handschuhen, es hat Equipagen und verliert ein Vermögen, weil ihm ein Centime fehlt. Das eine ist das Elend des Volkes; das andere das der Schwindler, der Könige und der Genies. Ich bin nicht Volk noch König, noch Schwindler; vielleicht habe ich auch kein Genie: ich bin eine Ausnahme. Mein Name gebietet mir, lieber zu sterben als zu betteln. Beruhigen Sie sich, Madame, ich bin heute reich, ich besitze alles auf Erden, was ich brauche«, fügte ich hinzu, als ich sah, wie ihr Gesicht den kalten Ausdruck annahm, der sich auf unseren Mienen spiegelt, wenn wir jemand für einen Gentleman hielten und er sich als ein Bittsteller entpuppt. »Erinnern Sie sich an den Tag, wo Sie allein, ohne mich, ins Gymnase gehen wollten, weil Sie glaubten, ich würde nicht dort sein?« Sie nickte mit dem Kopf. »Ich hatte meinen letzten Taler geopfert, um Sie dort sehen zu können. Erinnern Sie sich unseres Spaziergangs im Jardin des Plantes? Ihr Wagen hat mich mein ganzes Vermögen gekostete Ich erzählte ihr alle Opfer, die ich gebracht hatte, ich schilderte ihr mein Leben, nicht, wie jetzt dir im Rausch des Weines, nein, im edlen Rausch des Herzens. Meine Leidenschaft

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