Das Chamäleon-Korps
neuesten Werken vor.“
„Prima“, sagte Jolson und entdeckte die Wendeltreppe, die zum Sohn des Präsidenten-Generals hinaufführte. „Sie haben hier ein Apartment?“
„Dieses Apartmentgebäude ist meine Wohnung. Das ganze Gebäude. Ich brauche Abgeschiedenheit, wenn ich schreibe. Da ich Hofdichter bin, muß ich pro Woche ungefähr ein episches Gedicht schreiben, und ich brauche Ihnen ja wohl nicht erst zu erzählen, wieviel Konzentration einem das abverlangt. Ich kann es nicht brauchen, wenn Leute nebenan Walzer tanzen oder mal eben von zwei Dutzend Freunden ein Stockwerk über mir heimgesucht werden.“
„Machen Ihre Dienstboten denn keinen Lärm?“
„Es gibt keine Dienstboten. Das ganze Gebäude ist vollautomatisch“, sagte Honey Sousa-Meller. „Ich wollte eben runtergehen, um nachzusehen, warum die Haustür offensteht. Ich habe gerade versucht, in meinem Studio zu arbeiten. Ich besitze übrigens sechs Studios. Es hängt alles von meiner Stimmung und meinem Thema ab. Ich war im ersten Stock und arbeitete gerade an einem epischen Gedicht über die geplanten Kürzungen im städtischen Busverkehr, da hörte ich, wie sich die Tür von selbst auf summte.“
„Ich kann mir vorstellen, daß Sie sich als Hof dichter und Verwandter des Präsidenten-Generals überall ziemlich frei bewegen können“, sagte Jolson. „Ich dagegen hatte eine Reihe amüsanter Begegnungen, die sich alle um das Vorzeigen meiner Ausweispapiere drehten.“
„Ich hatte schon die Prellung über Ihrem linken Ohr bemerkt. Wissen Sie, eigentlich erinnert sich nie jemand an mich. Also trage ich immer einen ganzen Satz Ausweispapiere mit mir herum, für den Notfall. Selbst jetzt habe ich Papiere dabei.“ Er zeigte auf seine rechte Hüfte.
Jolson erwischte ihn mit der beschwerten Reitgerte, fesselte ihn mit dem Sportanzug und stellte ihn im Wandschrank des nächsten Dichterstudios ab. Er entdeckte einen Satz dunkler, konservativer Kleidung und zog sich um. An ein Diktapult gelehnt, konzentrierte er sich. Sein Gesicht wurde unscharf und verwandelte sich. Er verließ das Apartmentgebäude als Honey Sousa-Meller. Auf dem Weg zum Kloster wurde er nur noch einmal geschlagen.
Der Mann in der sandfarbenen Kutte zündete sich eine Zigarre an und lehnte einen Ellenbogen gegen das Weihrauchgefäß. Die Weihrauchschale kippte um, und brennende Stücke fielen hinab und brachten seinen Ärmel zum Kohlen. „Hoppla!“ sagte der Mann, der sich als Bruder Sheldon vorgestellt hatte.
Der Verkaufsraum besaß Thermoteppiche, also wälzte Jolson den Possibilitaristischen Bruder die nächstgelegene Wand entlang, bis der Ärmel aufhörte zu qualmen. „Wo, sagten Sie, sind meine Freunde, Bruder Sheldon?“
Der große, breitschultrige Mann bückte sich, um den verstreuten Weihrauch aufzuheben. „Unten im Keller sechs mit Bruder William. Er führt ihnen den neuen Verkorkungsandroiden vor, den wir jetzt besitzen.“ Er schüttelte den Kopf. „All diese Weindämpfe hier machen mich richtig beschwipst, Mr. Sousa-Meller. Ich bin die halbe Zeit benebelt. Tut mir leid.“
Jolson ergriff den angesengten Ärmel des Bruders und half ihm dabei, sich wieder aufrecht hinzustellen. „Alles für die gute Sache, wie Paps oft über Ihr Unternehmen zu sagen pflegt, Bruder Sheldon.“
„Ach ja? Tut er das? Das freut mich aber zu hören“, sagte der Mann in der Kutte. „Wir arbeiten hier mit dem Possiblen, dem Möglichen. Versuchen unser Allerbestes, nicht mehr und nicht weniger. Wo ist meine Zigarre?“
„Im Weihrauchbrenner.“
„Tatsächlich“, sagte Bruder Sheldon. „Ich bin noch relativ neu hier, Mr. Sousa-Meller. Früher habe ich in unserem Hospital im Ghetto 25 A gearbeitet und mich auf Kopfschläge und -Verletzungen konzentriert. Das ist übrigens eine üble Prellung, die Sie da haben. Halten Sie mal meine Zigarre fest, dann kümmere ich mich darum.“
„Nicht nötig, Bruder Sheldon“, sagte Jolson. „Bei mir heilt alles sehr schnell. Wenn Sie mir den richtigen Keller zeigen würden?“
„Ich sollte diese Zigarre nicht rauchen, bei meinem Magen. Eine von diesen Seetangzigarren aus Barafunda.“ Er setzte sich auf ein paar als Geschenke eingepackte Weinkisten. „Rotwein ist das schlimmste. Ich gehe an diesen Rotweinfässern entlang und habe das Gefühl, mit dem Nachtstock eins übergebraten zu bekommen. Wir besitzen eine Brauerei hier in der Gegend, und ich habe versucht, dorthin versetzt zu werden. Aber man muß das Mögliche eben
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