Das Chaos-Casino
wieder an ihre ursprünglichen Plätze, und das mit einem Minimum an Fußgescharre und gemurmelten Bemerkungen, wenn sie auch zahlreiche neugierige Blicke auf die jüngeren Offiziere der Kompanie warfen. Wie Kinder, die die Frage stellten, worum es bei einem Holofilm gehe, während bereits der Vorspann lief, hielten sie in den Mienen ihrer Vorgesetzten Ausschau nach irgendwelchen Hinweisen auf die Art ihres neuen Auftrags, doch die dieser Art betrachteten Würdenträger bemühten sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck.
Die älteren Legionäre begannen darüber nachzugrübeln. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, daß die nichtssagende Miene eines Offiziers meistens schlechte Nachricht bedeutete. Gäbe es gute Nachrichten, würden sie lächeln und vielleicht das eine oder andere Augenzwinkern austauschen. So aber ...
»Sie wissen ja bereits alle, daß wir versetzt werden«, begann der Kompaniechef ohne Einleitung. »Und wenn es da auch noch zahllose Einzelheiten gibt, die erst noch erarbeitet werden müssen, hielt ich es für das Beste, mit ihnen wenigstens eine Vorbesprechung durchzuführen, um die Spekulationen auf ein Minimum zu beschränken.
Doch bevor ich mich mit dem Auftrag selbst befasse, möchte ich erst auf die Frage eingehen, was mit diesem Standort geschehen wird, nachdem wir umgezogen sind. Wie Sie alle wissen, ist der Club mein persönliches Eigentum. Ich habe das Grundstück und die Gebäude erworben, als ich hier eintraf, habe alles umbauen lassen und habe es zur Zeit an die Legion vermietet. Ursprünglich hatte ich vor, den Besitz wieder zu veräußern, wenn wir ihn verlassen sollten, und tatsächlich habe ich auch mehrere konkrete Angebote von Interessenten, die gerne einen Landclub aus meiner Anlage machen würden. Aber ich habe es mir anders überlegt. Ich brauche im Augenblick nicht dringend zusätzliches Kapital, und daher habe ich beschlossen, diesen Standort hier auch nach unserem Ausrücken zu behalten. Ich habe mir gedacht, daß er als Heimatbasis für die Kompanie dienen könnte und vielleicht auch als Erholungsort für ihre Mitglieder, die auf Urlaub sind. Sollten wir feststellen, daß es sich dabei um ein angenehmes Arrangement handelt, können wir noch über die Möglichkeit verhandeln, das Anwesen aus Mitteln der Kompanie von mir zu erwerben ... wodurch es formal und dauerhaft zum Eigentum der Kompanie selbst würde. Sollte das geschehen, werden Sie wohl feststellen, daß der Preis, den ich dafür verlange, mehr als vernünftig ist.«
Der Kommandant gestattete, daß der Hauch eines Lächelns über sein Gesicht huschte, als die Legionäre grinsten und sich bei seiner Ankündigung gegenseitig erfreut in die Rippen stießen.
»So, und nun zum eigentlichen Auftrag«, fuhr er fort und hob dabei leicht die Stimme, worauf die Kompanie verstummte. »Ich denke, man kann ihn als gute-schlechte Nachricht bezeichnen. Die schlechte Nachricht lautet, daß wir wieder Wache schieben müssen, und ich weiß, daß das für jene unter Ihnen eine Enttäuschung sein wird, die auf irgendeine Art von Kampfauftrag gehofft haben.«
Narrisch hielt einen Augenblick inne, bis sich erwartungsgemäß die inzwischen schon zur Tradition gewordene Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes flötend zu Wort meldete.
»Und die gute Nachricht?«
»Die gute Nachricht«, erwiderte er und bemühte sich angestrengt um eine ausdruckslose Stimme und Miene, »betrifft das Objekt, das wir bewachen sollen: das Casino Fette Chance auf Loreley. Sie werden mir darin zustimmen, daß das schon eine Stufe besser ist, als im Sumpf Wache zu schieben. Um das Hauptquartier wörtlich zu zitieren, es ist »ein lauer Lenz im Paradies<.«
Ein paar Herzschläge lang herrschte Stille; dann explodierte der Raum. Die Legionäre krähten und johlten, schlugen einander begeistert auf den Rücken.
Aber Narrisch bemerkte auch, daß sich nicht alle an dieser Ausgelassenheit beteiligten. Einige der Kompaniemitglieder, vor allem die älteren, erfahreneren Legionäre, schienen unbewegt oder in einigen Fällen sogar mißtrauisch und nachdenklich.
»Entschuldigen Sie, Herr Hauptmann«, rief Schokoladen-Harry und erhob sich, »aber vor wem oder was sollen wir dieses Casino eigentlich bewachen? Ich meine, für Türsteher sind wir doch wohl ein bißchen zu hochgerüstet.«
»Das habe ich mich auch gefragt, Schoko«, erwiderte der Kommandant mit einem Lächeln, obwohl er innerlich die Scharfsin- nigkeit einer solchen Frage verfluchte, weil sie
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