Das Daemonenschiff
bevor er auftauchte, bemerkte er
im Augenwinkel einen Schatten und verzweifelte Bewegung.
Mit zwei kräftigen Zügen schwamm er hin, bekam den zappelnden Mann zu fassen und ignorierte seinen Widerstand, der
ohnehin bereits schwächer zu werden begann.
Als sie die Wasseroberfläche durchbrachen, klatschte ein Tau
neben ihm ins Wasser. Andrej hielt den Mann nur noch mit
einem Arm, drehte sich auf den Rücken und griff mit der frei
gewordenen Hand nach dem Seil. Über ihnen wurden zwei der
großen Schilde weggerissen, starke Arme streckten sich ihm
entgegen und hoben den Mann aus dem Wasser. Noch stärkere
(schwarze) Hände griffen nach Andrej und zogen ihn mit einem
Ruck auf das Deck der Fenrir hinauf, und kräftige Arme fingen
ihn auf, als er zusammenzubrechen drohte.
»Also mir war das Wasser zu kalt«, sagte Abu Dun und fügte
ein gespieltes Schaudern hinzu. Aber sein Blick tastete sehr
aufmerksam über Andrejs Gesicht, und er hielt sich bereit, sofort
wieder zuzugreifen, sollte der abermals zusammenbrechen.
Sehr weit war Andrej auch nicht davon entfernt, so schwach
fühlte er sich. Seine Kleider hatten sich so mit Wasser vollgesogen, dass ihn schon ihr bloßes Gewicht zu Boden zu zerren
drohte, und jetzt, da er aus dem Wasser war, schien die Kälte
nur noch mehr zuzunehmen. Seine Finger und Zehen schmerzten, und seine Lippen wurden taub, sodass er kaum reden
konnte. »Das Wasser ist herrlich erfrischend«, sagte er bibbernd.
»Warum versuchst du es nicht auch einmal?«
»Nein danke«, antwortete Abu Dun. »Ich habe im vergangenen Jahr erst gebadet … oder war es im vorletzten?« Er kratzte
sich nachdenklich am Schädel und grinste noch breiter, aber
dann wurde er nur umso ernster. »Wolltest du dich umbringen?«
»Wenn, dann bestimmt nicht auf diese Art«, antwortete Andrej,
drehte sich brüsk herum und ging die zwei Schritte zu dem
unglückseligen Krieger hin, den seine Kameraden inzwischen auf
den Rücken gedreht und damit begonnen hatten, ihn aus seinen
nassen Kleidern zu schälen. Sein Gesicht und sein Hals boten einen
grässlichen Anblick. Sein Haar war fast zur Gänze verbrannt, und
die Flammen hatten auch den Großteil seines Gesichts verheert.
Andrej konnte nicht erkennen, ob er noch atmete, konzentrierte
sich für einen Moment und lauschte in ihn hinein.
»Lasst ihn«, sagte er dann. »Er ist tot.« Wahrscheinlich hatte
ihn die Kälte umgebracht, oder er war schlichtweg ertrunken,
weil er in seiner Panik versucht hatte, unter Wasser zu atmen.
Die Männer stellten ihre Bemühungen ein und standen auf,
und mehr als einer von ihnen maß Andrej mit verwirrten oder
auch erschrockenen Blicken. Schließlich kniete einer der
Krieger noch einmal nieder und legte das Ohr auf die Brust des
Mannes.
»Er ist tot«, sagte er und richtete sich auf.
»Das war nicht besonders klug«, knurrte Abu Dun in sein Ohr.
»Warum?«, fragte Andrej. »Hattest du Angst, dass ich ertrinke? Oder mir einen Schnupfen hole?«
Statt zu antworten, warf Abu Dun nur einen Blick auf die
Männer, die sie in einem immer dichter werdenden Kreis
umstanden. Die meisten blickten betroffen auf den Toten hinab,
aber Andrej spürte auch die Blicke, mit denen die Männer ihn
maßen, wenn sie glaubten, dass er es nicht bemerkte. Abu Dun
hatte recht, dachte er. Niemand hatte bisher (in seiner Gegenwart) auch nur eine einzige Bemerkung gemacht, aber Andrej
wusste natürlich, was die Männer hinter vorgehaltener Hand
über ihn und Abu Dun tuschelten. Er hatte soeben einen ganzen
Krug Öl ins Feuer gegossen.
»Er hätte noch leben können«, sagte er trotzig. »Einen Versuch war es wert.« Bevor Abu Dun etwas erwidern konnte,
wandte er sich in forderndem Ton an den erstbesten Mann.
»Was ist hier passiert?«
Der Krieger schrak so heftig zurück, als hätte er Angst, dass
Andrej ihn schlagen würde, aber ein anderer antwortete rasch an
seiner Stelle. »Es war ein Unfall, Herr. Niemand kann etwas
dafür.«
»Was ist passiert?«, fragte Andrej noch einmal, nun an ihn
gewandt.
»Niemand kann etwas dafür!«, verteidigte sich der Krieger.
»Es … war seine eigene Schuld! Das Öl hat sich entzündet!«
»Was für Öl?«
»Wir reiben uns mit Öl ein, wenn wir nachts arbeiten müssen,
um uns vor der Kälte zu schützen, und er ist dem Feuer zu nahe
gekommen, das war alles. Nichts als ein Unfall!«
»Und es hat auch niemand etwas anderes behauptet«, sagte
eine Stimme hinter ihnen.
Andrej drehte sich um und erblickte Urd
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