Das Daemonenschiff
streifte seine Seele und begann alles
darin auszulöschen, was jemals menschlich in ihm gewesen war.
» Halt! «
Selbst Odin Stimme drang nur noch wie durch einen dichten
Vorhang aus Nebel und Pein an sein Gehör, aber er spürte, wie
sich die grausame Macht – widerwillig – zurückzog und den
Würgegriff um seine Seele lockerte. Einen Moment später
zerrissen auch die blutigen Schleier vor seinen Augen, und er
fand die Kraft, sich auf die Ellbogen hochzustemmen und sich
dann ganz zu erheben.
Wenigstens versuchte er es, aber sein Bein gab unter dem
Gewicht seines Körpers einfach nach, und er sank mit einem
schmerzerfüllten Keuchen wieder zurück. Sein Oberschenkel
war gebrochen. Stöhnend wälzte er sich herum, griff ganz
instinktiv nach seinem Schwert und versuchte gleichzeitig, seine
ganze Aufmerksamkeit auf die Verletzung zu richten.
Es gelang ihm, den Schmerz auszublenden, aber nicht, den
zerbrochenen Knochen zu heilen. Etwas blockierte seine Kräfte,
und er spürte eine ganz sachte, warnende Berührung derselben
verheerenden Macht, die ihn gerade schon einmal in die Knie
gezwungen hatte, und stellte seine Bemühungen erschrocken
ein.
»Das war sehr dumm von deinem Freund«, sagte Odin kalt.
»Von Abu Dun hätte ich nichts anderes erwartet … aber du?«
Andrej drehte sich mit zusammengebissenen Zähnen herum,
und was er sah, war beinahe noch schrecklicher als die blitzartige Vision der Hölle, die er gerade erlebt hatte. Odin richtete sich
gemächlich wieder auf und steckte sein Schwert ein. Abu Dun
lag drei oder vier Meter neben ihm im Gras. Sleipnir drückte ihn
mit zwei ihrer zahlreichen Beine zu Boden, und ihre schrecklichen Fänge schwebten nur eine halbe Handbreit über seinem
Gesicht.
»Sleipnir, lass ihn los«, sagte Odin. Das groteske Monster
zögerte einen Moment, kroch aber dann widerwillig und mit
einem grässlichen Staksen rückwärts von der Brust des Nubiers
herunter. Abu Dun rührte sich nicht, sondern blieb weiter wie tot
liegen, und Odin ging zu Sleipnir, schwang sich mit einer
kraftvollen Bewegung in ihren Nacken und griff nach einem
Zügel, der aus dem schwarzen Fell ragte. Die grausamen Augen
des Ungeheuers ließen Abu Dun keinen Moment los. Seine
säbellangen Reißzähne zuckten enttäuscht.
»Jetzt wisst ihr, womit ihr es zu tun habt«, sagte Odin. Seine
Hand berührte den Zügel kaum, aber Sleipnir setzte sich
trotzdem in Bewegung, kroch über Abu Dun hinweg und dann
auf Andrej zu, trügerisch ungelenk und langsam. Andrejs Herz
schlug schneller. Der bloße Anblick reichte beinahe, um ihn zu
lähmen, aber es war nicht die abgrundtiefe Hässlichkeit des
gigantischen Geschöpfes, die ihm die Kehle zuschnürte. Es war
das, was er spürte. Diese Kreatur war einfach falsch, ein
Geschöpf, das nicht aus dieser Welt stammte und auch nicht
hierher gehörte, und dessen bloßer Anblick töten konnte.
Odin brachte sein Grauen erregendes Reittier neben ihm zum
Stehen und beugte sich vor, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er
lächelte dünn. »Glaubst du immer noch, dass deine Krieger dir
folgen werden, wenn sie mein treues Schlachtross sehen?«,
fragte er. »Ich habe es im Guten versucht, aber noch einmal
warne ich euch nicht. Wenn diese Flotte morgen früh ausläuft,
wird keiner von euch lebend zurückkehren.«
Und damit drehte er Sleipnir herum, und das achtbeinige
Ungeheuer verschwand raschelnd im Unterholz. Für einen
Moment schien noch ein unsichtbarer, erstickender Schatten
zurückzubleiben, bis auch er verschwand., Andrej kämpfte sich
auf die Beine und benutzte das Schwert als Krücke, um mit
zusammengebissenen Zähnen zu Abu Dun und Urd hinüberzuhumpeln. Sein erster Blick galt Urd, aber sie lag noch immer mit
geschlossenen Augen da und hatte von den schrecklichen
Geschehnissen anscheinend nichts mitbekommen. Wenigstens
hoffte Andrej es.
Auch Abu Dun lag noch immer wie erstarrt, begann sich aber
wieder zu regen, als Andrej neben ihn trat. Sein Gesicht war
unter der schwarzen Haut grau vor Entsetzen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Andrej.
Abu Dun reagierte nur mit einem bösen Blick und stemmte
sich ächzend in die Höhe. Andrej widerstand dem Impuls, die
Hand auszustrecken, um ihm auf die Beine zu helfen. Er wäre
vermutlich selbst gestürzt.
»Was zur Hölle war das, Andrej?«, murmelte der Nubier.
Seine Stimme bebte.
»Sleipnir«, antwortete Andrej. Er hatte plötzlich einen fauligen
Geschmack im Mund und musste mehrfach schlucken, um
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