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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weitersprechen zu können, und prompt wurde ihm ein wenig
übel. »Hast du noch nie von Sleipnir gehört, Odins achtbeinigem
Schlachtross?«
»Das war kein Pferd, Andrej. Das war eine verdammte Spinne! «
»Sag mir nicht, du hättest Angst vor Spinnen.«
»Nicht, solange sie nicht größer sind als ich.«
Abu Dun sah sich suchend um, bückte sich nach seinem
Schwert und hob es auf. »Ich glaube es nicht«, fuhr er fort. »Ich
habe das Biest gesehen, aber ich glaube es trotzdem nicht. Ich
meine: So ein Tier kann es doch gar nicht geben!«
»So wenig wie einen Mann, der von einem Speer durchbohrt
wird und weiterläuft, als wäre nichts geschehen?«, fragte
Andrej.
Abu Dun dachte einen Moment lang über diese Worte nach
und schüttelte dann entschieden den Kopf. »Das ist etwas
anderes«, behauptete er. »Ein solches Geschöpf ist wider die
Natur. Allah kann nicht wollen, dass so etwas existiert.«
»Dann sollten wir vielleicht dafür sorgen, dass sein Wille auch
geschieht«, sagte Andrej.
Abu Dun sah ihn einen halben Atemzug lang durchdringend
an, und dann schweigend in die Richtung, in der Odin und die
gigantische Kreatur verschwunden waren. Schließlich steckte er
sein Schwert ein und seufzte sehr tief. »Glaubst du, dass wir ihn
besiegen können?«, fragte er.
Andrej hob nur die Schultern. Er war sehr sicher, dass sie es
nicht konnten. Doch statt etwas zu sagen, ließ er sich neben Urd
auf das unversehrte Knie sinken und berührte noch einmal ihre
Stirn. Er hätte sie wecken können, aber er hoffte, dass sie das
Bewusstsein nicht zurückerlangte, bevor sie wieder im Dorf
waren.
»Wir könnten sein Angebot annehmen«, sagte Abu Dun
nachdenklich. »Oder wenigstens auf seine Warnung hören.«
»Seit wann lässt du dich einschüchtern?«, fragte Andrej.
»Es kommt ganz darauf an, wie viele Beine derjenige hat, der
mich einzuschüchtern versucht«, antwortete Abu Dun. »Und wie
lang sie sind.« Er schüttelte den Kopf, als Andrej etwas sagen
wollte. »Ich habe keine Angst. Aber können wir es schaffen?«
»Und seit wann stellst du solche Fragen?«
»Seit du so viel zu verlieren hast, Hexenmeister«, erwiderte
der Nubier mit einem langen Blick auf das bewusstlose Mädchen.
»Sie darf nichts davon erfahren«, sagte Andrej. »Nichts von
diesem Treffen, und nichts von dem, was Odin gesagt hat.«
»Aber du hast verstanden, was er sagte?«, vergewisserte sich
Abu Dun. »Du weißt, was sie –«
»Ja«, unterbrach ihn Andrej, so scharf, dass Abu Dun schwieg
und überrascht die Augenbrauen hochzog. Er beugte sich vor,
versuchte Urd auf die Arme zu nehmen und zog hörbar die Luft
zwischen den Zähnen ein, als in seinem Bein der Schmerz
wütend explodierte. Es begann zu heilen, das spürte er, aber es
ging sehr viel langsamer, als er es gewohnt war. Er konnte nur
hoffen, dass von dem, was Odin ihm angetan hatte, nichts
zurückblieb.
Abu Dun schob ihn grob zur Seite, lud sich Urd ohne die
geringste Mühe auf die Arme und maß ihn mit einem fragenden
Blick. »Glaubst du, dass du es bis zum Dorf schaffst, oder soll
ich euch beide tragen?«, fragte er durchaus ernst.
Andrej würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, sondern
kämpfte sich tapfer in die Höhe und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen und schwer auf sein Schwert gestützt hinter
ihm her.
    Hätte Andrej an die Macht von Omen und schlechten Vorzeichen geglaubt, wären sie am folgenden Morgen vermutlich nicht
ausgelaufen. Es begann damit, dass der Tag später anbrach als
die vorherigen, sehr viel später. Die Dämmerung kroch grau und
kalt über einen Horizont, der plötzlich unnatürlich weit entfernt
zu sein schien, aber es war ein Sonnenaufgang ohne Sonne. Mit
dem Tag war auch Nebel aufgekommen, der als nasser grauer
Dunst über der Welt lag und den Morgen kälter werden ließ als
die vorangegangene Nacht, und auch die Sonne löste sich zu
einem verwaschenen, trübgelben Fleck auf, der keine spürbare
Wärme und nicht einmal Licht spendete.
Andrej hatte – natürlich – keinen Schlaf mehr gefunden. Sein
    Bein schmerzte immer noch, hatte sich auf den Weg herab zum
Dorf aber immerhin weit genug erholt, dass er ohne Hilfe gehen
konnte, und er hatte die wenigen Stunden, die die Nacht noch
gedauert hatte, damit zugebracht, an Urds Bett zu sitzen und
sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was er ihr wohl antworten
sollte, wenn sie aufwachte und ihn fragte, was geschehen war.
    Er wusste es nicht.
Vielleicht eine Stunde vor

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