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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und Thure. Thure war
in kompletter Rüstung erschienen, einschließlich seines gewaltigen Hörnerhelms, wodurch er nun endlich auch für jedermann
sichtbar größer als Abu Dun war, und auch Urd trug wieder die
Kleider eines Kriegers, so wie gestern Abend, und jetzt hatte sie
sogar Schild und Schwert angelegt. Im Gegensatz zu dem ihres
Bruders lag auf ihrem Gesicht jedoch ein betroffener Ausdruck.
»Niemand macht euch einen Vorwurf«, fuhr sie fort. »Es war
ein Unfall, an dem niemanden die Schuld trifft … allerhöchstens
ihn selbst.« Sie sah einen Moment lang mit echtem Mitgefühl
auf den Toten hinab und gab sich dann einen sichtbaren Ruck.
»Bringt ihn an Land. Und sorgt dafür, dass er in Ehren beigesetzt wird.«
»Und ihr anderen arbeitet weiter«, fügte Thure in grobem Ton
hinzu, unnötig laut, wie Andrej fand. »Wir laufen bald aus, und
das Schiff ist noch nicht bereit.«
Zwei Krieger hoben den Toten auf und trugen ihn von Bord,
und auch die anderen eilten davon und nahmen ihre unterbrochenen Arbeiten hastig wieder auf.
»Das war nicht nötig«, sagte Urd zornig. Ihre Augen blitzten,
während sie zu ihrem Bruder herumfuhr. »Der Mann ist tot.«
»Und es war seine eigene Schuld«, entgegnete Thure kühl.
»Du hast es gehört. Er war leichtsinnig, der Tod ist das Schicksal, das einem unvorsichtigen Krieger droht.«
Urd starrte ihn an. »Manchmal …«, zischte sie, sprach dann
aber nicht weiter, sondern presste nur wütend die Lippen
aufeinander und wandte sich jäh an Andrej. Ihre Augen loderten
noch heller, als sie offensichtlich ein anderes Opfer erspähte, auf
das sie ihren Zorn lenken konnte.
»Und du, Andrej«, fauchte sie. »Von dir hätte ich ein bisschen
mehr Vernunft erwartet! Wolltest du dich umbringen?«
»Ich kann schwimmen«, antwortete Andrej.
»In diesem Wasser?«, fauchte Urd. »Und in voller Rüstung?
Was sollte das? Wolltest du uns allen beweisen, wie stark du
bist? Nenn mir einen Text, der deine Tapferkeit gebührend
würdigt, und ich sorge dafür, dass er auf deinen Grabstein
gemeißelt wird.«
»Ich wollte den Mann retten«, antwortete Andrej. »Er war nur
einen Augenblick im Wasser –«
»– das bei dieser Kälte auch in einem einzigen Augenblick
tötet«, unterbrach ihn Thure. »Meine Schwester weiß das, und
ich ebenfalls, und jeder andere Mann hier auch. Aber du und
dein Freund vielleicht nicht.«
»Diese Information wäre hilfreich gewesen, bevor wir an Bord
dieser Schiffe gegangen sind«, beschwerte sich Abu Dun.
Niemand nahm Notiz von ihm.
Thure warf seiner Schwester einen beinahe drohenden Blick
zu, der sie – zu Andrejs Erstaunen – tatsächlich endgültig zum
Schweigen brachte, fuhr aber mit einem erzwungenen Lächeln
und an Andrej gewandt fort: »Deine Absichten waren sicherlich
ehrenhaft, und was du getan hast, war sehr mutig. Aber du
hättest ihn nicht retten können. Wer bei diesen Temperaturen
über Bord fällt, ist verloren. Nimm meiner Schwester ihre Worte
nicht übel.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Wahrscheinlich
war es mehr die Angst um dich, die sie so wütend gemacht hat.«
»Wir laufen in Kürze aus«, fuhr Thure fort. »Du solltest an
Land gehen und dich umziehen. Unsere Mutter kann dir helfen,
wieder ein bisschen Wärme in –«
»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach ihn Andrej und unterdrückte ein Frösteln. Er hatte Mühe, Thure nicht an die Kehle zu
gehen. »Das bisschen Wasser trocknet schon. Wenn wir gleich
auslaufen, ist es vielleicht besser, wenn ich mich noch einmal
davon überzeuge, dass auch wirklich alles in Ordnung ist.«
Thure blinzelte. Im ersten Moment wirkte er sprachlos, aber
dann hob er nur die Schultern, und Andrej gab ihm keine
Gelegenheit, einen weiteren Einwand vorzubringen, sondern
fuhr zornig herum und ging zum Bug der Fenrir. Wie überall an
Bord waren auch hier zahlreiche Männer damit beschäftigt, in
aller Hast die letzten Reparaturen zu Ende zu bringen und das
Schiff endgültig zum Auslaufen bereit zumachen. Respektvoll
machten sie ihm Platz und wichen dabei seinem Blick aus.
»Und das war noch sehr viel weniger klug.«
Erst, als er Abu Duns Stimme hinter sich hörte, wurde Andrej
klar, dass er schon eine ganze Weile hier stand und zu dem
geschnitzten Drachenkopf der Fenrir hochsah, einem Drachenkopf, der ihm mehr denn je wie ein unheimlicher Wolfsschädel
vorkam. Er schwieg.
»Jeder andere Mann an deiner Stelle würde sterben oder
allermindestens krank werden«, fuhr Abu

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