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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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spürbar, dass man
meinte, sie berühren zu können.
»Gib dir keine Mühe, Andrej.« Andrej sah sich nicht nach
Thure um, doch der Nordmann fuhr ungerührt fort: »Dieses
Land narrt unsere Sinne. Manchmal scheinen Dinge aufzutauchen, die sofort wieder verschwinden, und anderes, was da ist,
sieht man erst, wenn es beinahe zu spät ist.«
Andrej fragte sich, warum Thure ihm das sagte. Um ihm Angst
zu machen? Wenn das seine Absicht war, hatte er Erfolg.
Er sah sich noch einmal sehr aufmerksam um und blickte dann
wieder zur Küste zurück. Mittlerweile waren sämtliche Krieger
von Bord gegangen. Auf jedem Schiff blieben nur einige wenige
Männer zurück, um die Boote zu bewachen, und die Planken
wurden eingezogen; eine ganz normale, vernünftige Maßnahme,
damit sie nicht etwa abrutschten und die Krieger ins eisige
Wasser waten mussten, um sie zu bergen. Trotzdem verdüsterte
sich sein Gesicht bei diesem Anblick. Ihm kam es vor, als wolle
Thure auch ganz sichergehen, das ihnen die letzte Möglichkeit
genommen war, doch noch kehrtzumachen. Und etlichen
Männern schien es wie ihm zu ergehen. Für einen Moment
brach Unruhe unter den Kriegern aus, die aber beinahe ebenso
schnell wieder verschwand. Nicht zum ersten Mal musste sich
Andrej im Stillen eingestehen, dass er selten eine diszipliniertere
Armee gesehen hatte.
Dann fiel ihm etwas auf.
Er trat an Thure vorbei und zählte die Schiffe. Einen Moment
später tat er es noch einmal und sagte dann: »Zwei Schiffe
fehlen.«
»Ich habe sie weggeschickt, um die Küste abzusuchen«,
bestätigte Thure. »Es gibt Fjorde im Westen.«
Und warum waren sie dann nicht dort an Land gegangen?, dachte er, und als hätte er seine Gedanken gelesen, fügte Thure
hinzu: »Sie sind zu schmal und die Wände zu steil, um ungefährdet dort zu landen. Es wäre eine Todesfalle.«
»Und?« Andrej sah Thure fragend an, bekam aber nur ein
nichtssagendes Schulterzucken zur Antwort. »Und wie geht es
weiter?«, fragte er schließlich.
Statt direkt zu antworten, sah sich nun auch Thure sehr aufmerksam in der Runde um. Er wirkte, fand Andrej, ein bisschen
hilflos. Schließlich hob er die Hand und deutete nach Norden.
Vielleicht. Andrej hatte mittlerweile die Orientierung verloren
und beschlossen, dass jede beliebige Richtung, in die sie gingen, Norden war. »Dort.«
»Und du bist sicher?«
»Du nicht?«
»Würde ich dann fragen?«, gab Andrej gereizt zurück.
»Spürst du es denn nicht?«, fragte Thure. Er klang ehrlich
erstaunt.
Andrej schüttelte den Kopf und presste ärgerlich die Lippen
aufeinander, sah aber noch einmal und aufmerksamer in die
angegebene Richtung. Vielleicht waren dort Berge, vielleicht
auch nur ein Schatten oder Morgennebel oder der Dunst
aufsteigender Kälte, der seine Augen täuschte. Und alles, was er
spürte, war, dass sie nicht hier sein sollten. Das Land zu ihren
Füßen schrie es ihnen entgegen.
»Wann brechen wir auf?«
»Sobald die Kundschafter zurück sind«, sagte Thure und hob
rasch und besänftigend die Hand, wie um jedem möglichen
Widerspruch zuvorzukommen. »Es wird nicht lange dauern. Sie
sind schon eine Weile vor uns losgefahren und müssten bereits
auf dem Rückweg sein.«
Nun wurde Andrejs Blick bohrend, und Thure schien es auf
einmal schwerzufallen, ihm standzuhalten. »Wir werden
verfolgt.«
»Das Nagelfahr?«
Thure schüttelte bedrückt den Kopf. »Schiffe«, sagte er. »Der
Ausguck hat sie schon vergangene Nacht entdeckt. Aber der
Mann war glücklicherweise klug genug, zu mir zu kommen,
statt gleich Alarm zu schlagen. Es kann Zufall sein«, versicherte
er hastig. »Wer weiß, welche Völker hier leben. Vielleicht
harmlose Kaufleute, die unsere Flotte gesehen und voller Angst
die Flucht ergriffen haben. Vielleicht auch Piraten, die überlegen, ob sie sich an eine so große Beute heranwagen sollen.«
»Aber vielleicht auch jemand ganz anderes, nicht wahr?«
Es war nicht Andrej, der es aussprach, sondern Abu Dun.
Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass der Nubier herangekommen war, doch offensichtlich hatte er zumindest Thures letzte
Worte verstanden. Er wirkte verärgert. »Und du hast es nicht für
nötig gehalten, uns etwas davon zu sagen?«
»Wozu wäre das gut gewesen?«, fragte Thure. »Hätten sie uns
auf See angreifen wollen, dann hätten sie es längst getan. Und
wenn sie dumm genug sind, uns hier anzugreifen …« Er deutete
mit einem abfälligen Laut auf die mehr als siebenhundert Krieger,
die sich am Strand

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