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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tode
erschöpft aus, und nur allzu viele lagen reglos da, noch am
Leben, doch er wusste, dass sie sich nie wieder erheben würden.
Wieso machte ihm der Anblick eigentlich so zu schaffen?
Er hatte ihn schon tausendfach erlebt, nach tausend Schlachten, in die er gezogen war, und vollkommen gleich, ob er als
Sieger oder Verlierer aus ihnen hervorgegangen war. Und
dennoch war heute etwas anders. Er konnte das Gefühl nicht
begründen, aber er wusste einfach, dass all dieses Sterben und
Leiden noch sinnloser war als sonst.
Und natürlich sah ihn keiner der Krieger an.
Die wenigen Männer, denen es nicht gelang, seinem Blick
auszuweichen, schienen geradewegs durch ihn hindurchzustarren, und es war nicht einer unter ihnen, in dessen Augen er keine
Furcht las. Auch das war er gewohnt, aber noch niemals so.
Sie fanden Thure nahezu an derselben Stelle, an der er Urd
zurückgelassen hatte, nur einen Steinwurf vom Ende des Pfades
entfernt, der für so viele Männer zur Todesfalle geworden war.
Der Boden war getränkt mit Blut, und überall lagen zerbrochene
Waffen und Fetzen von Kleidern und zerborstener Rüstung, aber
zumindest hatten sie die Toten weggeschafft. Ein halbes
Dutzend Feuer brannten in einem unregelmäßigen Dreiviertelkreis rings um den Nordmann und eine Handvoll seiner Krieger
herum. Obwohl Andrej Thures Gesicht nicht erkennen konnte,
spürte er die tiefe Sorge, die den hünenhaften Krieger quälte,
während er sich über eine schmale, mit einem schweren Fellmantel bedeckte Gestalt beugte, die so zwischen zwei Feuern
lag, dass sie so viel an Wärme wie möglich einfing.
Andrej beschleunigte ganz instinktiv seine Schritte, doch
Thure musste seine Annäherung gespürt haben, denn er stand
auf und drehte sich mit energischem Kopfschütteln und entschiedenem Gesichtsausdruck zu ihnen herum, ohne zuvor auch
nur aufgesehen zu haben.
»Ich weiß, du willst zu Urd«, begann er, »und sie hat auch
schon nach dir gefragt. Aber zuerst muss ich mit dir reden.«
»Sobald ich mit deiner Schwester gesprochen und mich davon
überzeugt habe, dass –«
»Jetzt.« Thure schüttelte noch einmal und noch energischer
den Kopf und hob zusätzlich die Hand. »Urd schläft im Moment. Und ich halte es für besser, wenn wir sie auch schlafen
lassen. Sie braucht jedes bisschen Kraft, dass sie bekommen
kann.«
Andrej hatte im allerersten Moment nicht übel Lust, Thure
einfach zur Seite zu schieben und zu Urd zu eilen, aber seine
Vernunft gewann auch jetzt wieder die Oberhand … wenn auch
erst, nachdem er sich mit einem raschen Blick und einem
behutsamen Tasten nach ihrer Seele davon überzeugt hatte, dass
Thure die Wahrheit sagte: Urd schlief tatsächlich, und ihre
Lebensflamme brannte zwar schwach, aber ruhig. Trotzdem
musste er sich überwinden, widerwillig zu nicken und dem
Nordmann zu folgen, als er eine auffordernde Handbewegung in
die Dunkelheit machte. Viel lieber, als mit Thure zu reden,
wollte er zu seiner Schwester gehen und sie einfach in die Arme
schließen, ganz gleich, ob sie es spürte oder nicht.
»Ich muss dir danken, Andrej«, begann Thure, nachdem sie
sich ein paar Schritte entfernt hatten. »Und mich zugleich bei dir
entschuldigen … bei euch beiden«, verbesserte er sich mit
einem raschen Seitenblick auf Abu Dun. »Ihr hattet recht. Es war eine Falle.«
Andrej unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. »Das mag
sein«, sagte er, betont kühl. »Aber jetzt ist nicht der Moment für
Schuldzuweisungen. Wie viele Männer haben wir verloren?«
Thure zögerte einen Moment. »Mehr als achtzig«, sagte er
dann. »Und noch einmal so viele sind verletzt. Nicht alle werden
den Tag überleben.«
Als er das Wort Tag aussprach, hob Andrej schnell den Kopf
und suchte den Himmel ab. Obwohl wolkenlos, war er doch
vollkommen dunkel und sternenklar. Trotzdem behauptete
Thure: »Es wird in spätestens einer halben Stunde hell. So lange
können wir noch hierbleiben.«
»Damit sich die Piraten zu einem neuen Angriff formieren
können?«, fragte Abu Dun böse.
»Das wagen sie nicht«, behauptete Thure. »Nicht, solange ihr
bei uns seid.«
»Wir sind nur zwei«, erinnerte Andrej, erntete aber nur wieder
ein energisches Kopf schütteln des Nordmannes.
»Ich weiß nicht, was du getan hast, Andrej«, sagte Thure ernst,
»und ich glaube, ich will es auch gar nicht wissen. Aber die
Piraten sind vor dir geflohen, nicht vor uns. Ohne dich und
deinen Freund wären wir jetzt vielleicht alle tot.«
»Wie

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