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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und vollstrecken ließ, von der Deine Landsleute im Kriege von 1857 einen so schamlos schrecklichen Gebrauch gemacht haben. Er ließ schon früher viele Hindus, unsere Väter, unsere Brüder, lebend vor die Mündungen der Kanonen binden…«
    Wieder brach ein Sturm des Unwillens in der blutgierigen Menge los, den Nana Sahib kaum zu besänftigen vermochte.
    »Auge um Auge! Zahn um Zahn! sagte er. Du wirst denselben Tod erleiden, Munro, wie so viele der Unsrigen!«
    Darauf drehte er sich um.
    »Sieh hier diese Kanone!«
    Der Nabab wies dabei nach dem gewaltigen, fünf Meter langen Geschütz, das mitten auf dem Platze stand.
    »Man wird Dich, fuhr er fort, vor die Mündung dieser Kanone binden! Sie ist geladen, und morgen mit Sonnenaufgang wird ihr Donner, wenn er in den tiefsten Gründen der Vindhyas widerhallt, Allen verkünden, daß Nana Sahib’s Rachedurst endlich gelöscht ist!«
    Oberst Munro sah den Nabab fest, aber mit einer Ruhe an, welche auch die Ankündigung seines nahen Todes nicht zu erschüttern vermochte.
    »Gut, erwiderte er, Du thust nur, was ich gethan hätte, wenn Du in meine Hände gefallen wärst!«
    Darauf stellte sich Oberst Munro freiwillig vor die Mündung des Geschützes, wo er mit auf dem Rücken gebundenen Händen mittelst starker Stricke angebunden wurde.
    Noch lange Zeit nachher schmähten und schimpften ihn die erbärmlichen Dacoits und Hindus – als ob Sioux-Indianer in Nordamerika einen zum Tode Verurtheilten noch am Richtpfahl zu peinigen suchten.
    Mit einbrechender Nacht verschwanden Nana Sahib, Kâlagani und Nassim in der alten Kaserne. Ermüdet verließ auch die übrige Bande allmählich den Platz und folgte ihren Führern nach.
    Den Tod und den allmächtigen Gott vor Augen, blieb Sir Edward Munro allein zurück.
Zwölftes Capitel.
Vor der Mündung der Kanone.
    Die eingetretene Ruhe dauerte nicht lange an. Die Dacoits hatten sich zum Abendessen versammelt, und dabei hörte man sie unter der Wirkung des starken Araks, dem sie unmäßig zusprachen, laut durcheinander schreien und rufen.
    Nach und nach legte sich der Höllenlärm. Der Schlaf übermannte die rohen Gesellen, welche schon der starke Tagesmarsch ermüdet hatte.
    Sir Edward Munro fragte sich, ob man ihn bis zur Stunde seiner Todes unbewacht lassen und ob Nana Sahib nicht einen Getreuen zu seines Beaufsichtigung heraussenden werde, obwohl er, mit dreifachen Stricken fest umwunden, gänzlich außer Stande war, sich nur im geringsten zu rühren.
    Da trat gegen acht Uhr ein Hindu aus der Kaserne und schritt über den Platz hin.
    Ihm war der Auftrag ertheilt worden, die Nacht über in Oberst Munro’s Nähe zu bleiben.
    Zuerst ging er schräg über den freien Platz auf die Kanone zu, um sich von der Anwesenheit des Gefangenen zu überzeugen, und prüfte die Stricke, welche fest angezogen waren, mit kräftiger Hand. Ohne sich an den Oberst selbst zu wenden, begann er ein kurzes Selbstgespräch.
    »Zehn Pfund gutes Pulver! murmelte er. Es ist lange her, daß die alte Kanone von Ripore den Mund aufgethan hat, aber morgen, wird sie ihre Stimme hören lassen!…«
    Diese Bemerkung lockte auf den stolzen Zügen Oberst Munro’s nur ein verächtliches Lächeln hervor. Der Tod, auch in seiner entsetzlichsten Gestalt, konnte ihn nicht erschrecken.
    Nachdem der Hindu die Mündung der Kanone besichtigt, trat er ein wenig zurück, strich mit der Hand über das dicke Bodenstück derselben und sein Finger lag einen Augenblick auf dem Zündloch, das mit Pulver völlig ausgefüllt war.
    Der Hindu lehnte sich gegen den Knopf der Schwanzschraube. Er schien den Gefangenen ganz vergessen zu haben, der geduldig dastand wie ein Verurtheilter am Fuße des Galgens, unter dem die Fallthüre sich öffnen soll.
    Ob aus Gleichgiltigkeit oder in Folge des genossenen Araks mag dahingestellt bleiben, begann der Hindu eine alte Volksweise aus Goundwana leise zu trällern. Er machte dabei Pausen und fing von Neuem an, wie Einer, der in halbtrunkenem Zustande seine Gedanken nicht zu sammeln vermag.
    Eine Viertelstunde später erhob er sich wieder und strich mit der Hand über das Rohr der Kanone hin. Hierauf ging er um dieselbe herum, machte vor dem Oberst Munro Halt und murmelte, diesen ansehend, einige unverständliche Worte.
     

    Noch lange Zeit schmähte ihn die erbärmliche Bande. (S. 390.)
     
    Wie instinctmäßig befühlte er noch einmal die Stricke, als wollte er sie noch fester anziehen; dann warf er den Kopf zurück, als wolle er sagen, daß hier

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