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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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war.
    Auf der Kuppe des Berges lagen noch einige halb abgetragene Courtinen und einige Bastionen in Trümmern. Mitten auf einem freien Platz, den ein Steingeländer gegen den Abgrund zu umschloß, erhob sich noch ein verfallenes Gebäude, früher die Kaserne der kleinen Garnison von Ripore, das man jetzt kaum noch als Stall verwandt hätte.
    Von allen Geschützen, welche sonst mit ihren drohenden Mündungen durch die Schießscharten der Außenmauer lugten, war nur noch ein einziges, jetzt nach innen gerichtet, übrig, eine Kanone, die zu schwer war, um ohne große Mühe weggeschafft zu werden, und in zu schlechtem Zustande, um ihr einen besonderen Werth beizumessen. So stand sie verlassen noch auf der riesigen Lafette und der Rost nagte langsam an dem eisernen Rohre. Sie bildete übrigens ihrer Größe und Dicke nach ein würdiges Seitenstück der berühmten Bronzekanone von Bhilsa, jenes ungeheuren Geschützes von sechs Metern Rohrlänge und einem Kaliber von vierundvierzig Centimetern, das zur Zeit Jehanghir’s gegossen worden war. Auch hätte man sie mit der nicht minder bekannten Kanone von Bidjapour vergleichen können, deren Donner, nach Aussage der Eingebornen, alle Bauwerke der Stadt in ihren Grundvesten erschütterte.
     

    »Sieh’ mich besser an!« entgegnete der Hindu. (S 386.)
     
    Diesen Anblick also bot die Veste von Ripore, wohin der Gefangene durch Kâlagani’s Spießgesellen geführt wurde. Es war um sechs Uhr Abends, als er daselbst, nach einem Marsche von fünfundzwanzig Meilen, anlangte.
    Oberst Munro sollte nicht lange darüber im Zweifel bleiben, welchem seiner Feinde er hier entgegentreten sollte.
    Das verfallene Gebäude auf dem Platze diente noch einer Abtheilung Hindus als Wohnstätte. Als die neu angekommenen Dacoits längs der äußeren Mauer sich kreisförmig aufgestellt, traten jene aus dem Hause hervor.
    Oberst Munro stand in der Mitte und wartete ruhig mit gekreuzten Armen.
    Kâlagani trat aus der Menge hervor und ging den Anderen einige Schritte entgegen.
    Ein einfach gekleideter Hindu erschien an der Spitze der Abtheilung.
    Kâlagani blieb vor diesem stehen und verneigte sich. Der Hindu reichte ihm die Hand, welche er voll Ehrfurcht küßte. Ein Zeichen mit dem Kopfe bedeutete ihm, daß man mit seinen Diensten zufrieden war.
    Dann schritt der Hindu auf den Gefangenen zu, langsam zwar, aber mit flammenden Augen und allen Zeichen einer kaum verhaltenen Wuth. Man hätte geglaubt, ein Raubthier schleiche sich nach seiner Beute.
    Oberst Munro ließ jenen nahe kommen, ohne einen Schritt zurückzuweichen und fixirte denselben ebenso scharf, wie dieser den Gefangenen.
    Jetzt war der Hindu nur noch fünf Schritte von ihm entfernt.
    »Es ist blos Balao Rao, der Bruder des Nabab! sagte der Oberst mit verächtlichem Tone.
    – Sieh mich besser an! entgegnete der Hindu.
    – Nana Sahib! rief Oberst Munro, unwillkürlich zurückschreckend. Nana Sahib am Leben!…«
    Ja wohl, der Nabab selbst, der alte Rebellenführer im Aufstand der Sipahis, der unversöhnliche Feind Munro’s.
    Bei dem Gefechte in der Nähe des Pals von Tandit war nur sein Bruder Balao Rao gefallen.
    Die außergewöhnliche Aehnlichkeit der zwei Männer, die beide ein pockennarbiges Gesicht und denselben Finger der nämlichen Hand amputirt hatten, täuschte damals die Soldaten von Luknow und Khanpur. Sie erkannten den Nabab in der Leiche seines Bruders, eine Verwechslung, die wohl Jedem passirt wäre. Als den Behörden damals also der Tod des Nabab gemeldet wurde, lebte Nana Sahib noch, nur Balao Rao war nicht mehr.
    Diesen Umstand wußte sich Nana Sahib zunutze zu machen; er gewährte ihm ja eine fast absolute Sicherheit. Seinem Bruder wurde von der englischen Polizei gar nicht mit größerem Eifer nachgespürt. Die Greuelthaten von Khanpur legte man diesem ja nicht zur Last und er besaß auf die Hindus Central-Indiens auch nicht den verderblichen Einfluß, wie der Nabab.
    Als Nana Sahib aber sich so hitzig verfolgt sah, beschloß, er so lange die Rolle eines Todten zu spielen, bis sich die passende Gelegenheit böte, wieder handelnd aufzutreten: er verzichtete also vorläufig auf alle revolutionären Pläne und brütete allein darüber, wie er sich selbst rächen könne. Noch niemals lagen die Verhältnisse dafür günstiger. Oberst Munro, den seine Sendboten fortwährend überwachten, hatte sich von Calcutta auf eine Reise begeben, die ihn nach Bombay führen sollte. War es da nicht möglich, ihn in das Gebiet der Vindhyas

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