Das Dampfhaus
schritt, bereit auf Alles, was nur geschehen konnte, inmitten der wilden Hindus dahin und stellte sich, als ob er Kalagaul überhaupt nicht sehe. Der Verräther marschirte an der Spitze der Truppe, deren Anführer er in der That zu sein schien. An Flucht war nicht zu denken. Gefesselt wurde Oberst Munro zwar nicht, er sah aber auch weder vorn noch hinten, ebensowenig an den Seiten eine Lücke in der Escorte, durch die er hätte entschlüpfen können. Uebrigens mußte er ja auch im ersten Augenblicke wieder eingefangen werden. Er vergegenwärtigte sich nun seine Lage mit allen möglichen Folgen derselben. Daß Nana Sahib bei dem ganzen Vorgange seine Hand im Spiele habe, konnte gerade er nicht glauben, da für ihn der Nabab als todt galt. Irgend ein Waffengefährte des alten Rebellenführers aber, z. B. Balao Rao, konnte ja wohl vom Hasse getrieben werden, den Racheplan auszuführen, dem sein Bruder das ganze Leben geweiht hatte. Sir Edward Munro fühlte, daß es sich hierbei um etwas dergleichen handle.
Dabei dachte er auch an den armen Goûmi, den er nicht als Gefangenen der Dacoits sah. Vielleicht war es ihm ja gelungen, zu entfliehen, wahrscheinlich aber hatte er den Tod gefunden. Doch selbst wenn er heil und gesund geblieben, war auf Hilfe von seiner Seite schwerlich zu rechnen.
Wenn Goûmi nämlich, um Unterstützung zu holen, bis zur Station Jubbulpore gelaufen war, so kam er damit zu spät.
Hatte er dagegen Banks und die Anderen am Südende des Sees wieder zu finden gesucht, so konnten doch auch diese wegen Mangels an Munition nichts ausrichten. Sie beeilten sich vielleicht selbst, schnell nach Jubbulpore zu kommen,… bevor sie das aber erreichten, war der Gefangene längst nach irgend einem unzugänglichen Schlupfwinkel in den Vindhyas gebracht worden.
Nach dieser Seite hin mußte er also jede Hoffnung aufgeben.
Oberst Munro betrachtete die Sachlage mit ruhigem Blicke. Er verzweifelte nicht, er war nicht der Mann dazu, sich gänzlich niederbeugen zu lassen, aber er liebte es, die Sachen nüchtern zu betrachten, statt sich einer unbegründeten Illusion hinzugeben, was seiner nicht würdig schien.
Die Horde Hindus marschirte mit größter Geschwindigkeit. Nassim und Kâlagani strebten offenbar danach, vor Sonnenuntergang an einer vorherbestimmten Stelle anzulangen, wo sich das Los des Obersten entscheiden sollte. Wenn der Verräther Eile hatte, so wünschte auch Sir Edward Munro ein Ende zu sehen, ganz gleichgiltig, welches das Schicksal ihm bestimmt hätte.
Nur einmal gegen Mittag ließ Kâlagani eine halbe Stunde Halt machen. Die Dacoits führten Lebensmittel mit sich und begannen am Ufer eines kleinen Baches zu essen.
Auch dem Oberst wurde etwas Brot und ein wenig getrocknetes Fleisch vorgelegt, was dieser nicht abwies. Er hatte seit dem vorigen Tage nichts genossen und wollte seinen Feinden nicht die Freude gönnen, ihn vielleicht in der letzten Stunde körperlich schwach zu sehen.
Bis hierher waren schon sechzehn Meilen unter forcirtem Marsche zurückgelegt worden. Auf Kâlagani’s Befehl setzte sich Alles wieder in Bewegung und zog gegen Jubbulpore weiter.
Erst gegen fünf Uhr Nachmittags verließen die Dacoits die Landstraße und bogen von derselben nach links ab. Wenn Oberst Munro auf jenem Hauptwege noch einen Schimmer von Hoffnung hegen konnte, so sah er nun wohl ein, daß sein Geschick nur in den Händen Gottes lag.
Eine Viertelstunde später durchschritten Kâlagani und seine Begleiter einen Engpaß, der, nach dem wildesten Theile von Bundelkund zu, den Ausgang des Nerbudda-Thales bildete.
Diese Stelle lag etwa hundertfünfzig Kilometer von dem Pal von Tandit, im Osten jener Sautpourra-Berge, die man als die westliche Fortsetzung der Vindhyas ansehen kann.
Da erhob sich auf einem der letzten Bergausläufer die alte Veste Ripore, seit langer Zeit schon aufgegeben, weil sie, wenn die westlichen Engpässe von einem Feinde gesperrt wurden, auf keine Weise mehr mit Proviant und Schießbedarf
Da erhob sich die alte Veste Ripore. (S. 383.)
versorgt werden konnte. Das Fort thronte auf einem der letzten Vorsprünge der Bergkette, einer Art natürlichem Sägewerk (ein zickzackförmig verlaufender Wall), von etwa fünfhundert Fuß Höhe und hing über eine größere Erweiterung des Passes, in der Mitte der benachbarten Bergzüge heraus. Man konnte nach demselben nur auf einem schmalen, in vielen Krümmungen am Felsen emporsteigenden Wege gelangen, der kaum für Fußgänger zugänglich
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