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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ueberröcken und hohen Musselin-Mützen, und befanden sich dann wieder unter den Musikern des Zuges oder unter Soldaten, Bajaderen, jungen Leuten in weiblicher Tracht – eine bunte Menge, welche der ganzen Ceremonie einen mehr carnevalistischen Anstrich verlieh. Mit den Hindus aller Klassen, unter denen sie viel Getreue zählten, hatten sie dabei unmerkbare, aber den Aufständischen vom Jahre 1857 verständliche Zeichen tauschen können.
    Später Abends begab sich die ganze Volksmasse nach dem See, der dicht vor der östlichen Vorstadt liegt.
    Unter betäubendem Geschrei, dem Knattern von Feuerwaffen und dem Krachen von Petarden, so wie beim Scheine Tausender von Fackeln stürzten die Gläubigen die Tadzias in die Fluthen des Sees. Die Moharum-Feste fanden damit ihren Abschluß.
    Da fühlte Nana Sahib, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte. Er drehte sich um. Ein Bengali stand neben ihm.
    Nana Sahib erkannte in dem Hindu einen seiner alten Waffengefährten von Laknau. Er blickte den Mann fragend an.
    Der Bengali theilte ihm flüsternd das Folgende mit, was Nana Sahib anhörte, ohne seine Erregung auch nur durch eine Miene zu verrathen.
    »Der Oberst Munro hat Calcutta verlassen.
    – Und wo ist er?
    – Er war gestern in Benares.
    – Wohin geht er?
    – Nach der Grenze von Nepal.
    – In welcher Absicht?
    – Einige Monate daselbst zu verweilen.
    – Und nachher…?
    – Nach Bombay zurückzukehren.«
    Jetzt erschallte ein leiser Pfiff. Ein Hindu glitt durch die Menge und näherte sich Nana Sahib.
    Das war Kâlagani.
    »Mach’ Dich sofort auf den Weg, befahl diesem der Nabab. Suche Munro auf, der jetzt nach Norden zu unterwegs ist. Schließ’ Dich ihm an. Erweise ihm irgend welche Dienste und setze schlimmsten Falles das Leben auf’s Spiel, aber weiche nicht von seiner Seite, bevor er jenseits der Vindhyas nach dem Nerbuddathale hinabgezogen ist. Dann, aber erst dann, gieb mir von seinem Aufenthalte Nachricht!«
    Kâlagani antwortete nur durch ein bestätigendes Zeichen und verschwand wieder unter der Menge. Ein Wink des Nabab galt ihm als Befehl. Zehn Minuten später hatte er Bhopal schon im Rücken.
    Jetzt trat Balao Rao an seinen Bruder heran.
    »Es ist Zeit, daß wir aufbrechen.
    – Ja wohl, erwiderte Nana Sahib, wir müssen vor Tagesanbruch wieder im Pal von Tandit sein.
    – Auf den Weg also!«
    Beide folgten nun in Begleitung ihrer Gounds dem nördlichen Ufer des Sees bis zu einer verlassenen Farm. Hier erwarteten sie und ihre Escorte die nöthigen Pferde. Diese gehörten zu der flüchtigen Race, denen man ein sehr gewürzreiches Futter verabreicht und welche fünfzig Meilen in einer Nacht zurücklegen können. Um acht Uhr galoppirten sie auf der Straße von Bhopal nach den Vindhyas hin.
    Nur aus Vorsicht wollte der Nabab vor Tage im Pal von Tandit eintreffen, da es jedenfalls gerathener erschien, unbemerkt in das Thal zurückzukehren.
    Die kleine Truppe flog also dahin, was die Pferde laufen konnten.
    Nana Sahib und Balao Rao sprachen zwar, während sie so nebeneinander ritten, kein Wort, doch erfüllte sie ein und derselbe Gedanke. Von diesem Ausfluge über die Vindhyas brachten sie nicht nur die Hoffnung, nein, die Gewißheit mit heim, daß sich unzählige Anhänger ihrer Sache anschließen würden. Das Hochland von Central-Indien war vollständig in ihrer Hand. Die auf den weiten Gebieten zerstreuten schwachen Militär-Cantonnements konnten unmöglich dem ersten Anprall der Empörer Widerstand leisten. Mit ihrer Vernichtung gewann der Aufstand freien Raum, und bald mußte sich dann von einer Küste zur anderen eine Mauer fanatischer Hindus erheben, an der die königliche Armee voraussichtlich zerschellte.
    Gleichzeitig dachte Nana Sahib aber auch an den glücklichen Zufall, der ihm Munro in den Weg führte. Endlich hatte der Oberst Calcutta, wo ihm nur schwer beizukommen war, einmal verlassen. In der nächsten Zeit konnte ihm keine seiner Bewegungen entgehen. Ohne daß er sich dessen versah, würde ihn Kâlagani’s Hand ja nach den wildesten Berggegenden der Vindhyas leiten, und dort konnte ihn nichts mehr vor der Rache retten, die Nana Sahib noch immer gegen ihn hegte.
    Balao Rao wußte von der Unterredung seines Bruders mit jenem Bengali kein Wort. Erst nahe dem Aufgange zu dem Pal von Tandit, als man die Pferde kurze Zeit verschnaufen ließ, machte ihm Nana Sahib eine kurze Mittheilung darüber.
    »Munro hat Calcutta verlassen und begiebt sich nach Bombay.
    – Die Straße nach Bombay

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