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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die Seitencoulissen der Landschaft. Im Rücken und zwischen den beiden Wohnungen erhebt sich ein riesenhafter Mastodon. Es ist unser Stahlriese, der unter die Laubwölbung großer Pandanen gestellt ist. Mit seinem erhobenen Rüssel scheint er die oberen Zweige derselben »abzunagen«. Aber er steht jetzt still. Er ruht aus, obwohl er der Ruhe nicht bedarf. Jetzt dient er als furchtloser Wächter des Steam-Houses, wie ein ungeheures antediluvianisches Geschöpf, und vertheidigt an der Straße, welche er selbst emporklomm, den Zugang zu unserem beweglichen Weiler.
    So kolossal unser Elephant auch erscheint – wenigstens so lange man nicht an die himmelhohe Bergkette denkt, welche sich sechstausend Meter über das Plateau erhebt – so gleicht er doch fast gar nicht mehr jenem künstlichen Riesen, mit dem Banks’ geschickte Hand die indische Fauna beschenkte.
    »Eine Mücke auf der Façade einer Kathedrale!« sagte Kapitän Hod mit einem gewissen Aerger.
    Der Vergleich war nur zu passend. Dahinter ragte nämlich ein Granitblock empor, aus dem man bequem tausend Elephanten von der Größe des unserigen hätte meißeln können, und dieser Block bildete nur einen Absatz, eine der hundert Stufen jener Treppe, die nach dem Kamm des Gebirges hinausführt und die der Dhawalagiri mit seinem spitzen Gipfel bekrönt.
    Manchmal senkt sich der Himmel über diesem Bilde nach dem Beobachter herab. Nicht allein die höchsten Bergspitzen, sondern auch der mittlere Kamm verschwindet zeitweilig. Es rührt das von dichten Dunstmassen her, welche sich in der mittleren Zone des Himalaya verbreiten und den ganzen unteren Theil desselben verhüllen. Die Landschaft schrumpft gewissermaßen zusammen, und dann erst scheinen, wie durch optische Täuschung, die Wohnstätten, Bäume, die benachbarten Berge und auch der Stahlriese selbst ihre natürliche Größe wieder zu gewinnen.
    Es kommt zuweilen auch vor, daß niedriger stehende Wolken von gewissen feuchten Winden gejagt, noch unterhalb unseres Plateaus hinziehen. Dann erblickt das Auge nichts als ein schäumendes Meer, auf dessen bewegter Fläche die Sonne wunderbare Farbenspiele hervorzaubert. Nach oben und nach unten verschwindet der Horizont und es scheint, als wären wir in irgend eine, außerhalb der Grenze des Erdballes liegende Luftregion versetzt.
    Da schlägt der Wind um; eine durch die Lücken der Bergkette dringende nördliche Brise fegt die Nebel weg, das Dunstmeer condensirt sich fast augenblicklich, die Ebene weicht bis zum südlichen Horizont zurück, das prächtige Profil des Himalaya zeichnet sich wieder an dem gereinigten Grunde des Himmels ab, der Rahmen des Bildes nimmt seine normale Größe an, und der entzückte Blick, den kein Hinderniß einengt, umfaßt alle Einzelheiten eines Panoramas von sechzig Meilen Durchmesser.
Zweites Capitel.
Mathias Van Guitt.
    Am nächsten Morgen, dem 26. Juni, weckte mich das Geräusch wohlbekannter Stimmen. Ich sprang auf. Kapitän Hod und sein Diener Fox waren im Speisezimmer in lebhafter Unterhaltung begriffen. Ich gesellte mich zu ihnen.
    Gleichzeitig hatte Banks sein Zimmerchen verlassen und der Kapitän redete ihn mit volltönender Stimme an.
    »Nun, Freund Banks, da wären wir ja endlich in dem ersehnten Hafen! Hier wird nun Rast gemacht! Es handelt sich nicht mehr um einen Aufenthalt von mehreren Stunden, sondern von einigen Monaten.
    – Gewiß, lieber Hod, antwortete der Ingenieur, und nun können Sie auch nach Belieben jagen. Die Pfeife des Stahlriesen wird Sie nicht mehr nach dem Lagerplatz zurückrufen.
    – Hörst Du, Fox?
    – Gewiß, Herr Kapitän, bestätigte der Diener.
    – Nun sei mir der Himmel günstig, rief Hod, das Sanatorium des Steam-Houses verlasse ich aber nicht eher, als bis der Fünfzigste von meiner Büchse gefallen ist! Der Fünfzigste, Fox! Es scheint mir nur, als werde es mit dem Fünfzigsten so seine Schwierigkeiten haben!
    – Wir werden sie zu besiegen wissen, bemerkte Fox.
    – Weshalb glauben Sie das, Kapitän Hod, fragte ich.
    – O, Maucler, das ist so eine Ahnung….. Eine Jägerahnung, weiter nichts!
    – So werden Sie also, sagte Banks, schon von heute an von hier ausziehen und den Feldzug eröffnen?
    – Von heute an, erwiderte Hod. Wir werden damit beginnen, das Terrain zu recognosciren und die untere Zone bis zu den Wäldern von Tarryani abzusuchen – vorausgesetzt, daß die Tiger ihre alte Heimat nicht aufgegeben haben…
    – Wie können Sie das glauben?…
    – Ah, mein bekanntes

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