Das Dante-Ritual: Thriller ***Weihnachtsaktion*** (German Edition)
noch etwas weiter geöffnet und ins Haus gespäht hatte, betrat ich zögerlich das Wohnzimmer. In der Mitte stand ein riesiger ovaler Tisch. Antik. Zweifellos sündhaft teuer, wie der Rest des Mobiliars. Ich durchquerte den Raum. Im Flur, der die Dimensionen einer Empfangshalle hatte, sah ich mich um. Zu meiner Rechten war eine Tür einen Spaltbreit geöffnet.
„Professor Beekmann?“
Ich stieß die Tür auf und erstarrte. Draußen vor dem Haus quietschten Reifen. Ich beachtete es nicht. Die Szenerie in Beekmanns Arbeitszimmer kam mir seltsam vertraut vor. Die bizarre Ästhetik des Körpers. Der penetrante Geruch. Das viele Blut überall. Hinter mir hallten Schritte durch den Flur. Ich starrte den Toten an. Der perlmuttbesetzte Griff eines Brieföffners ragte wie ein Pflock aus der Brust. Ich trat einige Schritte an den Schreibtisch und beugte mich über die Leiche. Nach den Rissen in Beekmanns Hemd zu schließen, hatte man mindestens ein Dutzend Mal auf ihn eingestochen.
„Gehen Sie da weg, Kramer“, rief eine Stimme in meinem Rücken. „Sofort!“
Karneval der körperlosen Fratzen
Ich musterte die Striemen an meinen tauben Handgelenken. Auf dem ganzen Weg von Beekmanns Haus ins Polizeipräsidium waren meine Hände mit einer Art Kabelbinder hinter dem Rücken stranguliert gewesen. Was war nur aus den guten alten Handschellen geworden?
Die Tür wurde aufgerissen. Hauptkommissar Rensing trat ein - im Schlepptau Karl Hagner, der ein Tonbandgerät trug. Die beiden Beamten setzten sich mir gegenüber an den Tisch. Einige Sekunden lang sagte niemand ein Wort.
Rensing sah mir ins Gesicht, als suche er darin nach einer Antwort. Er schien keine finden zu können.
„Bevor wir anfangen, möchte ich Sie noch einmal über Ihre Rechte belehren. Sie haben das Recht, einen Anwalt -“
„Ich kenne meine Rechte“, bremste ich ihn. „Kommen Sie zur Sache, Herr Rensing. Je schneller wir diese Nummer hier hinter uns bringen, desto früher bin ich wieder draußen.“
Hagner drückte die Aufnahmetaste des Tonbandgeräts und sah seinen Chef abwartend von der Seite an.
„Das können Sie vergessen, Herr Kramer“, entgegnete Rensing. „Sie sollten Ihren Anwalt anrufen. Der letzte gut gemeinte Ratschlag, den Sie heute von mir erwarten können.“
„Ich habe nichts getan. Und ich habe auch nichts zu verbergen.“
„Wenn Sie keinen Anwalt haben, kann …“
„... mir vom Gericht ein rechtlicher Beistand gestellt werden. Ich weiß. Stehe ich etwa unter Mordverdacht? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Warum hätte ich Beekmann töten sollen?“
„Haben Sie ein Alibi, Herr Kramer?“, antwortete Rensing mit einer Gegenfrage.
„Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mir den Zeitpunkt der Tat zu benennen.“
„Nach unserer ersten Schätzung zwischen 17 und 19 Uhr. Der Pathologe wird es noch weiter eingrenzen können.“
Ein wohliges Gefühl der Erleichterung breitete sich in mir aus. „Für diesen Zeitraum habe ich ein Alibi.“
„Nämlich?“
Ich rieb meine Handgelenke. Langsam kehrte Gefühl in die Finger zurück. „Ich habe im Mövenpick mit einem ehemaligen Kommilitonen von Frank einen Kaffee getrunken und ein Stück Erdbeertorte verspeist. Sehr lecker. Kann ich nur empfehlen.“
„Von wann bis wann“, fragte Rensing, den mein Sarkasmus sichtlich in Rage zu bringen drohte.
„Ich habe das Restaurant um kurz vor halb fünf betreten. Gegen 17 Uhr 45 haben wir das Mövenpick zusammen verlassen und einen Spaziergang um den Aasee gemacht. Verabschiedet haben wir uns circa eine Stunde später.“
„Name und Adresse des Kommilitonen.“
„Stefan Marcks. Die Adresse weiß ich nicht. Warten Sie mal...“ Ich rief mir Stefans Party in Erinnerung, auf der ich letzten Sommer mit Eva und Frank gewesen war. „Piusallee, wenn ich mich nicht irre.“
Rensing wandte sich an Hagner. „Check das mal, Karl. Wenn du ihn erreichst, bestell ihn her. Und schick jemanden zum Mövenpick rüber. So, wie unser Freund Kramer im Moment aussieht, dürfte man sich unschwer an ihn erinnern können.“
Hagner klappte seinen Notizblock zu und verließ den Raum.
„Wir werden das überprüfen“, sagte Rensing. „Solange sich Ihr Alibi nicht bestätigt hat, bleiben Sie in Untersuchungshaft.“
„Gilt in diesem Land nicht die Unschuldsvermutung?“
„Nicht bei Verdächtigen, die in flagranti am Tatort aufgegriffen werden.“
„Reden Sie doch keinen Scheiß“, fuhr ich ihn an. „Als Sie mich festgenommen haben, war
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