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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ließ ihn vor Wut erröten. Alles geriet außer Kontrolle. Niemand hatte mehr den Überblick, und das würde auch nicht besser werden, wenn er nur so tat, als ob er mitspielte.
    »Ich bin ziemlich allein«, sagte Mitch in das Schweigen hinein, »und ich brauche jemanden, der mir sagt, dass ich nicht völlig verrückt bin.«
    »Ja«, erwiderte Dicken, »das Gefühl kenne ich.« Er verzog das Gesicht und stampfte mit dem Fuß auf den Boden, weil er wusste, dass diese Sache ihm noch mehr Schwierigkeiten bereiten würde als alle Windmühlen, gegen die er bisher gekämpft hatte. Dann sagte er: »Sprechen Sie weiter, Mitch.«
43
    San Diego, Kalifornien
28. März
    Der Name der internationalen Tagung, der in schwarzen Kunststoffbuchstaben auf der Ankündigungstafel des Konferenzzentrums stand, verursachte bei Dicken einen kurzen Schauer der Erregung – kurz und dringend notwendig. Was die gute alte Arbeitszufriedenheit betraf: Da hatte ihn in den letzten Monaten kaum etwas sonderlich stimuliert, aber der Titel der Konferenz schaffte es mühelos:

    KONTROLLE DER VIRALEN UMWELT:
    NEUE WEGE ZUR BEKÄMPFUNG VON VIRUSERKRANKUNGEN

    Der Titel war weder übertrieben optimistisch, noch entbehrte er jeder Grundlage. In ein paar Jahren würde die Welt vielleicht keinen Virusjäger wie Christopher Dicken mehr brauchen.
    Nur standen sie alle vor dem gleichen Problem: In Zeiten der Krankheit können ein paar Jahre sehr lang sein.
    Dicken trat aus dem Schatten des Vordaches über dem Eingang und genoss die strahlende Sonne auf dem Bürgersteig. So warmes Wetter hatte er seit Kapstadt nicht mehr erlebt, und es gab ihm einen heftigen Energieschub. In Atlanta wurde es endlich warm, aber den Osten hatte die Kälte noch fest im Griff – in den Straßen von Baltimore und Bethesda lag Schnee.
    Mark Augustine war schon da; er wohnte im Gästehaus der Regierung, weit weg von der Mehrzahl der fünftausend erwarteten Teilnehmer, von denen die meisten die Hotels am Meer füllten.
    Dicken hatte seine Tagungsunterlagen – ein dickes, spiralgebundenes Buch mit einer BegleitDVDROM – bereits heute Morgen in Empfang genommen, um sich einen ersten Eindruck vom Ablauf zu verschaffen.
    Morgen früh sollte Marge Cross einen Vortrag über Grundsätzliches halten. Dicken würde an fünf Podiumsdiskussionen teilnehmen, von denen zwei sich mit SHEVA befassten. Kaye Lang sollte in einer davon sowie in sieben weiteren ebenfalls anwesend sein und außerdem im Plenum der Forschungsgruppe zur weltweiten Ausrottung der Retroviren, die im Rahmen der Konferenz tagte, einen Vortrag halten.
    Die Presse pries den RibozymImpfstoff von Americol bereits als wichtigen Durchbruch. In der PetriSchale machte er einen guten, ja sogar sehr guten Eindruck, aber die Erprobung an Menschen hatte noch nicht einmal begonnen. Augustine wurde von Shawbeck stark unter Druck gesetzt, Shawbeck stand unter starkem Druck der Regierung, und alle fassten Cross nur mit spitzen Fingern an.
    Dicken spürte, dass acht verschiedene Katastrophen in der Luft lagen.
    Von Mitch Rafelson hatte er schon seit ein paar Tagen nichts mehr gehört, aber er nahm an, dass der Anthropologe bereits eingetroffen war. Sie hatten sich noch nicht persönlich kennen gelernt, aber die Verschwörung lief. Kaye hatte sich bereit erklärt, heute Abend oder morgen zu ihnen zu stoßen und mit ihnen zu reden, je nachdem, wann Cross’ Leute sie nach einer Reihe von PublicRelationsInterviews freigeben würden.
    Sie mussten einen Ort abseits aller neugierigen Blicke finden.
    Dicken war der Ansicht, dass man sich dazu am besten ins Zentrum des Geschehens begab, und hatte zu diesem Zweck eine zweite Tasche mit leerem Tagungsanhänger und Programmheft mitgebracht – nur »Gast der CDC« stand darauf.

    Kaye ging durch die belebte Halle und ließ die Blicke nervös von einem Gesicht zum anderen wandern. Sie fühlte sich wie eine Spionin in einem schlechten Film, die ihre wahren Gefühle und erst recht ihre Ansichten verbergen muss – allerdings wusste sie im Augenblick auch selbst kaum, was sie denken sollte. Sie war fast den ganzen Nachmittag oben in der Suite – oder besser gesagt der Etage – von Marge Cross gewesen und hatte sich mit männlichen und weiblichen Abgesandten der hundertprozentigen Tochterfirmen, Professoren der University of California in San Diego und dem Bürgermeister der Stadt getroffen.
    Marge hatte sie beiseite genommen und ihr für das Ende der Tagung noch wichtigere Persönlichkeiten in Aussicht

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