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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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beide jetzt fast menschenleer.
    Ein spätwinterlicher Schneesturm fegte kleine kristallene Flocken über die Straßen, und das orangefarbene Licht der NatriumdampfStraßenlampen verwandelte den aufgehäuften Schnee in Berge aus Gold.
    »Sie vertreiben uns vom See und aus dem Dorf«, murmelte er.
    »Wir müssen selbst für uns sorgen. Ein paar Hitzköpfe wollten uns verfolgen und uns vielleicht umbringen. Wir …«
    Er schauderte. Die Gefühle waren so unmittelbar und echt, dass er sie nicht einfach abschütteln konnte. Angst, Wut, und noch etwas anderes … eine Art hilfloser Liebe. Er spürte sein Gesicht.
    Von ihren Gesichtern hatte sich eine Art Haut gelöst, kleine Masken. Das Schandmal für ihr Verbrechen.
    »Liebe Shirley MacLaine«, sagte er und drückte die Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe, »ich bin das Medium für Höhlenmenschen, die nicht in Höhlen leben. Hast du einen Rat für mich?«
    Er blickte auf die Uhr am Videorecorder, der wackelig auf dem kleinen Fernseher stand. Es war fünf Uhr morgens. In Atlanta musste es acht sein. Er würde es noch einmal mit dieser Telefonnummer versuchen; anschließend würde er sich mit seinem reparierten Laptop einwählen und eine EMail schicken.
    Er betrachtete sich im Badezimmerspiegel. Wirre Haare, ein verschwitztes, fettiges Gesicht, Zweitagebart, ein geripptes TShirt und Unterhose. »Ein richtiger Landstreicher«, sagte er.
    Dann fing er wieder einmal mit dem Großreinemachen an: Er schnäuzte sich die Nase und putzte seine Zähne.
42
    Atlanta
    Um drei Uhr morgens war Christopher Dicken wieder in seinem kleinen Haus am Rand von Atlanta. Bis zwei hatte er in seinem Büro bei den CDC gearbeitet und für Augustine ein paar Unterlagen über die Ausbreitung von SHEVA in Afrika vorbereitet. Jetzt lag er schon seit einer Stunde wach und fragte sich, wie die Welt wohl in einem halben Jahr aussehen würde. Schließlich schlief er ein, aber dann weckte ihn, scheinbar nur wenige Augenblicke später, das Summen seines Handys. Er setzte sich in dem breiten Bett auf, das früher seinen Eltern gehört hatte, wusste für kurze Zeit nicht, wo er eigentlich war, gelangte dann zu dem Schluss, dass er sich nicht im Hilton Kapstadt befand, und schaltete das Licht ein.
    Durch die Rollläden fiel bereits das Morgenlicht. Er schaffte es, beim vierten Läuten das Handy aus der Manteltasche im Schrank zu ziehen und sich zu melden.
    »Ist da Dr. Christopher Dicken?«
    »Christopher, jaaa …« Er sah auf die Uhr. Es war Viertel nach acht. Er hatte nur zwei Stunden geschlafen und fühlte sich mit Sicherheit schlechter, als wenn er sich überhaupt nicht hingelegt hätte.
    »Mein Name ist Mitch Rafelson.«
    Dieses Mal erinnerte sich Dicken an den Namen und seinen Zusammenhang. »Ach, tatsächlich?«, sagte er. »Wo sind Sie, Mr.
    Rafelson?«
    »In Seattle.«
    »Dann ist es bei Ihnen ja noch früher. Ich muss noch ein bisschen schlafen.«
    »Augenblick bitte«, sagte Mitch. »Tut mir Leid, wenn ich Sie geweckt habe. Ist meine Nachricht angekommen?«
    »Ich habe irgendeine Nachricht bekommen«, erwiderte Dicken.
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Hören Sie, wenn Sie Mitch Rafelson sind, ich meine der Mitch Rafelson, muss ich mit Ihnen ungefähr so dringend reden wie mit …« Er wollte einen witzigen Vergleich anstellen, aber sein Geist spielte nicht mit. »Ich muss nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Das war deutlich … Aber bitte hören Sie trotzdem zu. Sie waren auf der ganzen Welt hinter SHEVA her, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte Dicken und gähnte. »Wenn ich daran denke, kann ich kaum schlafen.«
    »Mir geht es genauso«, sagte Mitch. »Ihre Leichen im Kaukasus waren im SHEVATest positiv. Meine Mumien … aus den Alpen … die Mumien in Innsbruck sind ebenfalls SHEVApositiv.«
    Dicken drückte das Handy dichter ans Ohr. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe Laborbefunde von der University of Washington. Ich muss Ihnen zeigen, was ich weiß, Ihnen und allen anderen, die der Sache gegenüber aufgeschlossen sind.«
    »In der Sache ist niemand aufgeschlossen«, erwiderte Dicken.
    »Woher haben Sie meine Telefonnummer?«
    »Dr. Wendell Packer.«
    »Kenne ich Packer?«
    »Sie arbeiten mit einer Bekannten von ihm zusammen. Renée Sondak.«
    Dicken kratzte sich mit dem Fingernagel an einem Schneidezahn und überlegte sehr ernsthaft, ob er auflegen sollte. Sein Handy benutzte zwar die digitale Verschlüsselung, aber wer es darauf anlegte, konnte das Gespräch mithören. Der Gedanke

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