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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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plötzlicher Wandel.«
    »Wandel im Laufe von einer Million oder hunderttausend Jahren, in manchen Fällen vielleicht auch nur zehntausend«, sagte Mitch.
    »Aber nicht über Nacht. Die Folgerungen sind für jeden Wissenschaftler verdammt beängstigend. Aber genetische Marker lügen nicht. Und die Eltern des Kindes hatten SHEVA im Gewebe.«
    »Hm«, sagte Kaye. Die Brüllaffen legten wieder los und füllten die Nachtluft mit stetigem, melodischem Schreien.
    »Die Frau wurde durch einen spitzen Gegenstand verwundet, vielleicht durch eine Speerspitze«, sagte Dicken.
    »Richtig«, erwiderte Mitch, »und das führte dazu, dass das fast ausgereifte Kind entweder tot oder so gut wie tot geboren wurde.
    Kurz danach starb die Mutter, und der Vater …« Seine Stimme versagte. »Entschuldigung. Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden.«
    »Sie haben Mitleid mit ihnen«, sagte Kaye.
    Mitch nickte. »Ich habe ihretwegen schon seltsame Träume gehabt.«
    »Außersinnliche Wahrnehmung?«, fragte Kaye.
    »Das glaube ich nicht. Mein Geist arbeitet einfach so – er fügt die Dinge zusammen.«
    »Sie glauben, die beiden wurden von ihrem Stamm ausgestoßen?«, fragte Dicken. »Verfolgt?«
    »Irgendjemand wollte die Frau umbringen«, erwiderte Mitch.
    »Der Mann ist bei ihr geblieben und hat versucht, sie zu retten.
    Sie waren anders. Mit ihren Gesichtern stimmte etwas nicht. Kleine Hautlappen um Augen und Nase, fast wie Masken.«
    »Sie haben sich gehäutet ? Ich meine, als sie noch am Leben waren?«, fragte Kaye, und ihre Schultern schüttelten sich.
    »Um die Augen, im Gesicht.«
    »Die Leichen bei Gordi«, sagte Kaye.
    »Was ist damit?«, fragte Dicken.
    »Manche von ihnen hatten kleine Masken auf, wie aus Leder.
    Ich dachte, es wäre vielleicht … ein seltsames Verwesungsprodukt.
    Aber ich habe so etwas sonst noch nie gesehen.«
    »Wir greifen vor«, bemerkte Dicken. »Bleiben wir erst mal bei Mitchs Beweisen.«
    »Das ist alles«, erwiderte Mitch. »So große physiologische Veränderungen, dass das Kind in eine andere Unterart gehört, und alles auf einmal. In einer einzigen Generation.«
    »Das gleiche muss sich schon vor Ihren Mumien hunderttausend Jahre lang abgespielt haben«, sagte Dicken. »Immerhin lebten Neandertaler doch mit oder neben den Populationen der Jetztmenschen.«
    »Ich denke schon«, bestätigte Mitch.
    »Glauben Sie, dass die Geburt eine Anomalie war?«, fragte Kaye.
    Mitch sah sie mehrere Sekunden lang an und erwiderte dann:
    »Nein.«
    »Wäre es dann eine vernünftige Schlussfolgerung, dass Sie nichts Einzigartiges, sondern etwas durchaus Repräsentatives gefunden haben?«
    »Schon möglich.«
    Kaye hob aufgebracht die Hände.
    »Sehen Sie«, erklärte Mitch, »mein Gespür ist konservativ. Ich habe Mitleid mit den Leuten in Innsbruck, wirklich! Das Ganze ist seltsam und kommt völlig unerwartet.«
    »Haben wir bei den Fossilfunden einen glatten, allmählichen Übergang von den Neandertalern zu den CromagnonMenschen?«, fragte Dicken.
    »Nein, aber wir kennen mehrere Stadien. Bei Fossilfunden sind die Übergänge meistens alles andere als glatt.«
    »Und … das liegt daran, dass man nicht alle erforderlichen Exemplare findet, stimmt’s?«
    »Richtig«, erwiderte Mitch, »aber ein paar Paläontologen liegen schon seit langem mit den Gradualisten im Streit.«
    »Weil sie keine bruchlosen Übergänge finden, sondern Sprünge«, fügte Kaye hinzu. »Und zwar auch dann, wenn die Fossilfunde besser sind als bei Menschen oder großen Tieren.«
    Nachdenklich nahmen sie einen Schluck aus den Gläsern.
    »Und was tun wir jetzt?«, fragte Mitch. »Die Mumien hatten SHEVA. Wir haben SHEVA.«
    »Jetzt wird es kompliziert«, sagte Kaye. »Wer will als Erster?«
    »Schreiben wir mal auf, was sich unserer Meinung nach zurzeit abspielt.« Mitch griff in seine Tasche und brachte drei Schreibblöcke mit Kugelschreibern zum Vorschein. Er verteilte sie auf dem Tisch.
    »Wie die Schulkinder?«, fragte Dicken.
    »Mitch hat Recht. Machen wir es ruhig«, sagte Kaye.
    Dicken zog eine zweite Flasche Wein aus der Einkaufstüte und entkorkte sie.

    Kaye hielt die Kappe ihres Schreibstiftes zwischen den Lippen.
    Seit zehn oder fünfzehn Minuten schrieben sie, blätterten die Seiten der Blöcke um und stellten Fragen. Allmählich wurde es eisig kalt.
    »Die Party ist bald zu Ende«, sagte sie.
    »Keine Sorge«, erwiderte Mitch, »wir sind ja bei Ihnen.«
    Sie lächelte wehmütig. »Zwei halb betrunkene Männer, denen vor

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