Das Darwin-Virus
»Ich habe es gern, wenn alles glatt und nach den Regeln der Kunst läuft. Das Leben ist ein altes Schlachtross.«
Daney grinste. »Schön gesagt. Ich selbst fange am liebsten bei den elementaren Dingen an.«
»Und die wären?«, wollte Merton wissen. »Das ist doch eine tolle Gelegenheit«, erwiderte Daney. »Wenn ich eine willige Frau finde, würde ich gern einen dieser neuen Menschen in die Welt setzen und in meine Familie aufnehmen.«
Merton, Brock und Mitch verschlug es eine ganze Weile die Sprache.
»Interessante Idee«, sagte Merton schließlich leise und warf Mitch mit hochgezogenen Augenbrauen einen schnellen Blick zu.
»Wenn wir versuchen, außerhalb der Burg einen Sturm zu entfachen, verschließen wir vielleicht mehr Türen als wir öffnen«, räumte Brock ein.
»Mitch«, sagte Merton gedämpft, »dann erklären Sie uns doch mal, wie wir vorgehen sollen, gesetzt den Fall, wir wollen gewisse Regeln einhalten.«
»Wir stellen eine Gruppe von wirklichen Fachleuten zusammen«, erwiderte Mitch und dachte einen Augenblick angestrengt nach. »Packer und Maria Konig sind für den Anfang sehr gut. Die anderen finden wir unter den Kollegen und Bekannten der beiden – bei den Genetikern und Molekularbiologen der University of Washington, an den NIH und einem halben Dutzend weiterer Universitäten und Institute. Oliver, Sie wissen wahrscheinlich, wen ich damit meine … vielleicht besser als ich.«
»Die progressiveren Evolutionsbiologen«, erwiderte Merton und runzelte die Stirn, als sei das ein Widerspruch in sich. »Zurzeit beschränkt sich die Auswahl da auf Molekularbiologen und ein paar ausgesuchte Paläontologen wie Jay Niles.«
»Ich kenne nur konservative Kollegen«, sagte Brock. »In Innsbruck habe ich mit den falschen Leuten Kaffee getrunken.«
»Wir brauchen ein wissenschaftliches Fundament«, sagte Mitch.
»Eine Sperrminorität aus angesehenen Fachleuten.«
»Das kann Wochen oder sogar Monate dauern«, erwiderte Merton. »Immerhin steht für alle die Karriere auf dem Spiel.«
»Wie wäre es, wenn wir mehr Geld in die privatwirtschaftliche Forschung stecken?«, fragte Daney.
»An der Stelle könnte Mr. Daney hilfreich sein«, sagte Merton und blickte unter seinen buschigen roten Augenbrauen zu ihrem Gastgeber auf. »Sie haben die Mittel, um eine hochkarätig besetzte Konferenz einzuberufen, und genau die brauchen wir jetzt. Um ein Gegengewicht zu den öffentlichen Verlautbarungen der Taskforce zu schaffen.«
Daneys Miene verdüsterte sich. »Wie viel würde das kosten?.
Hunderttausende? Millionen vielleicht?«
»Eher Ersteres als Letzteres, nehme ich an«, erwiderte Merton mit unterdrücktem Lachen.
Daney sah ihn besorgt an. »Bei so viel Geld muss ich meine Mutter fragen«, erklärte er.
59
National Institutes of Health, Bethesda
»Ich lasse sie gehen«, sagte Dr. Lipton und setzte sich an ihren Schreibtisch. »Ich lasse sie alle gehen. Der Forschungsleiter der Klinik sagt, wir hätten genügend Erkenntnisse, um die Patienteninformationen zusammenzustellen und mit den Versuchen aufzuhören.«
Kaye starrte sie wie vor den Kopf gestoßen an. »Sie entlassen sie … einfach so aus der Klinik und schicken sie nach Hause?«
Lipton nickte. In ihren Wangen bildeten sich kleine Grübchen.
»Es war nicht meine Entscheidung, Kaye, aber ich musste mich fügen. Die Grenzen der Ethik waren überschritten.«
»Und was ist, wenn sie zu Hause Hilfe brauchen?«
Lipton blickte auf die Schreibtischplatte. »Wir haben ihnen mitgeteilt, dass ihre Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt kommen und wahrscheinlich nicht überleben werden. Wir haben sie zur ambulanten Behandlung an ihre Heimatkrankenhäuser überwiesen. Wir kommen für alle ihre Kosten auf, auch wenn es Komplikationen gibt. Vor allem, wenn es Komplikationen gibt.
Alle befinden sich in der Wirksamkeitsphase.«
»Sie nehmen RU-486?«
»Das ist ihre eigene Entscheidung.«
»So etwas ist nicht üblich, Denise.«
»Ich weiß. Sechs Frauen haben darum gebeten. Sie wollten abtreiben. Wenn es so weit ist, können wir nicht weitermachen.«
»Haben Sie ihnen gesagt …?«
»Kaye, die Vorschriften sind eindeutig. Wenn das Kind nach unserer Beurteilung das Leben der Mutter gefährdet, verschaffen wir ihr die Möglichkeit zum Abbruch. Ich unterstütze sie in ihrer Entscheidungsfreiheit.«
»Natürlich, Denise, aber …« Kaye drehte sich um, betrachtete das vertraute Büro, die Diagramme an den Wänden, die Bilder von Feten in
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