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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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kleine Geheimnisse in sich tragen«, hatte er einmal zu ihr gesagt, während sie sich umeinander bemühten. Es war ein merkwürdiges, liebevolles Werben gewesen. Saul selbst war manchmal merkwürdig, manchmal aber auch liebevoll und freundlich. Sie wusste nur nie, wann dieser Zeitpunkt war.
    Kaye blieb einen Augenblick neben einem hohen metallenen Laborstuhl stehen und stützte die Hand auf seinen Plastiksitz. Saul hatte sich immer für die größeren Zusammenhänge interessiert; sie dagegen war mit kleineren Erfolgen zufrieden, mit winzigen Erkenntnisbrocken. Sein Wissenshunger hatte zu vielen Enttäuschungen geführt. Stumm hatte er zugesehen, wie seine jüngere Frau viel mehr erreichte. Sie wusste, dass es ihm wehtat. Keinen Riesenerfolg zu haben, kein Genie zu sein, war für Saul gleichbedeutend mit Versagen.
    Kaye hob den Kopf und sog die Luft ein: Chlorbleiche, Heißdampf, ein Hauch von frischer Farbe und Schreinerarbeit aus der benachbarten Bibliothek. Sie mochte dieses betagte Labor mit seinen Altertümern, seiner Bescheidenheit und seiner jahrzehntelangen Geschichte der Entbehrungen und Erfolge. Die Tage hier und im Gebirge hatten zu den angenehmsten in ihrer jüngeren Vergangenheit gehört. Tamara, Zamphyra und Lado hatten ihr nicht nur das Gefühl gegeben, willkommen zu sein, sie hatten ihr auch sofort großzügig ihr Herz geöffnet und waren so zur Familie der vagabundierenden Ausländerin geworden.
    Saul hätte hier großen Erfolg gehabt. Einen doppelten Erfolg vielleicht. Alles, was er brauchte, um sich wichtig und nützlich zu fühlen.
    Sie wandte sich um. Durch die offene Eingangstür sah sie Tengiz, den gebückten alten Laborhelfer, der mit einem kleinen, untersetzten jungen Mann in grauer Hose und Sweatshirt sprach.
    Die beiden standen im Korridor zwischen Labor und Bibliothek.
    Der junge Mann sah Kaye an und lächelte. Auch Tengiz machte ein freundliches Gesicht, nickte heftig und deutete auf Kaye. Daraufhin kam der Mann ins Labor geschlendert, als gehörte es ihm.
    »Sind Sie Kaye Lang?«, fragte er in amerikanischem Englisch mit unverkennbarem Südstaaten-Zungenschlag. Er war einige Zentimeter kleiner als sie, ungefähr ebenso alt oder ein wenig älter, mit spärlichem schwarzem Bart und schwarzen Locken. Seine Augen, ebenfalls schwarz, wirkten klein und intelligent.
    »Ja«, erwiderte sie.
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen. Christopher Dicken ist mein Name. Ich komme vom Epidemie-Erkennungsdienst der National Centers for Infectious Diseases in Atlanta – weit weg von hier, da Georgia, hier Georgien.«
    Kaye lächelte und schüttelte ihm die Hand. »Ich wusste nicht, dass Sie herkommen würden«, sagte sie. »Was macht das NCID, die CDC …«
    »Sie waren vor zwei Tagen in der Nähe von Gordi«, unterbrach Dicken.
    »Sie haben uns weggejagt.«
    »Ich weiß. Ich habe gestern mit Colonel Beck gesprochen.«
    »Warum interessiert Sie das?«
    »Vielleicht aus unangenehmen Gründen.« Er presste die Lippen zusammen und hob die Augenbrauen, aber dann lächelte er wieder und zuckte die Achseln. »Beck sagt, die UN und alle russischen Friedenstruppen hätten sich aus dem Gebiet zurückgezogen und seien wieder nach Tiflis gefahren, und zwar auf nachdrücklichen Wunsch des Parlaments und des Präsidenten Schewardnadse.
    Seltsam, finden Sie nicht?«
    »Peinlich fürs Geschäft«, murmelte Kaye. Tengiz hörte vom Korridor aus zu. Sie runzelte die Stirn in seiner Richtung, aber mehr aus Verwunderung denn aus Ärger. Er schlenderte ein Stück weiter.
    »Ja«, sagte er. »Alte Probleme. Wie alt, was meinen Sie?«
    »Was – das Grab?«
    Dicken nickte.
    »Fünf Jahre. Vielleicht weniger.«
    »Die Frauen waren schwanger.«
    »Jaaa …« Sie zog die Antwort in die Länge und versuchte sich auszumalen, warum jemand von den Centers for Disease Control sich dafür interessierte. »Jedenfalls die beiden, die ich gesehen habe.«
    »Keine Fehlinterpretation möglich? Säuglinge, die nach der Geburt mit in das Grab gelegt wurden?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Die waren im sechsten oder siebten Monat.«
    »Danke.« Dicken streckte wieder die Hand aus und schüttelte höflich die ihre. Dann drehte er sich um und wollte gehen. Tengiz ging draußen über den Flur und huschte beiseite, als Dicken durch die Tür spazierte. Der Ermittler des Epidemie-Erkennungsdienstes blickte zu Kaye zurück und salutierte kurz.
    Tengiz hielt den Kopf schräg und grinste zahnlos. Er sah zutiefst schuldbewusst aus.
    Kaye rannte zur Tür. Auf

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