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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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begann. Alle befremdeten diese angstvollen Laute, jeder fragte, woher sie rührten, aber keiner vermochte Auskunft zu geben. Aufgeschreckt erhoben sich alle und blickten unverwandt nach der Seite, von der das Geräusch kam. Da gewahrten sie das jammernde Mädchen, den Ritter und die Hunde, und alsbald waren diese alle mitten unter den Gästen. Mit heftigen Scheltworten wehrten diese sowohl dem Ritter als auch den Hunden, und viele traten vor, um dem Mädchen beizustehen. Die Erzählung des Ritters, die er ihnen fast in denselben Worten wiederholte, mit denen er früher zu Nastagio gesprochen hatte, ließ sie indes nicht nur von ihrem Vorhaben abstehen, sondern erfüllte sie mit Staunen und Entsetzen. Unter den anwesenden Damen waren viele dem wehklagenden Mädchen, andere dem Ritter verwandt und erinnerten sich seiner Liebe und seines Todes. Als aber dieser sein grausames Beginnen so wie kürzlich vollführte, weinten alle ebenso bitterlich, als wäre ihnen dasselbe am eigenen Leibe geschehen.
    Als nun alles zu Ende gebracht und der Ritter verschwunden war, sprachen die, welche dem Schauspiel zugesehen hatten, noch viel und mancherlei darüber. Am meisten aber vor allen ändern hatte Nastagios spröde Geliebte sich entsetzt; denn da sie der Grausamkeit gedachte, die sie stets gegen jenen geübt hatte, fühlte sie wohl, daß alles, was sie mit Auge und Ohr deutlich wahrgenommen, keinen der Anwesenden näher angehe als eben sie, und es war ihr nicht anders, als jage jener sie schon ergrimmt durch den Wald und die Hunde packten sie in den Weichen. Und so groß war die Furcht vor diesem Schicksal, daß sie in schnellem Wechsel von Haß zu Liebe die Zeit nicht erwarten konnte, eine vertraute Dienerin insgeheim zu Nastagio zu senden und ihn um seinen Besuch bitten zu lassen, da sie bereit sei, alles zu tun, was ihm gefallen werde. Und die Gelegenheit dazu bot sich noch am selben Abend. Darauf ließ ihr Nastagio erwidern, die Botschaft sei ihm sehr willkommen, er gedenke aber, wenn es ihr gefalle, nur in Ehren ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen, indem er sich ehelich mit ihr vermähle.
    Die junge Dame wußte wohl, daß es nur an ihr gelegen hatte, wenn sie nicht schon längst Nastagios Gemahlin geworden war. Sie antwortete daher, sie sei dessen wohl zufrieden. Dann meldete sie als ihre eigene Botin ihrem Vater und ihrer Mutter, daß sie jetzt den Nastagio zu heiraten bereit sei. Beide waren darüber sehr erfreut, und schon am nächsten Sonntag wurde das junge Paar feierlich verlobt. Dann hielten sie Hochzeit und lebten miteinander noch lange Jahre glücklich. Es hatte aber jenes Ereignis nicht nur diese eine glückliche Folge, sondern alle Damen Ravennas wurden dadurch so eingeschüchtert, daß sie den Wünschen der Männer seitdem um vieles geneigter geworden sind als zuvor.
     

Neunte Geschichte
     
     
    Federigo degli Alberighi liebt, ohne Gegenliebe zu finden, und verzehrt in ritterlichem Aufwand sein ganzes Vermögen, so daß ihm nur ein einziger Falke bleibt. Den setzt er, da er nichts anderes hat, seiner Dame, die ihn zu besuchen kommt, zum Essen vor. Sie aber ändert, als sie dies vernommen, ihre Gesinnung, nimmt ihn zum Manne und macht ihn reich.
     
    Kaum hatte Filomena zu reden aufgehört, als die Königin wahrnahm, daß außer Dioneo und ihr niemand mehr zu erzählen hatte, und so begann sie heiter:
    So ist es denn nun an mir, zu erzählen, und ich genüge gern meiner Pflicht, indem ich euch eine Geschichte mitteile, die der vorigen einigermaßen ähnlich ist. Ich tue dies nicht nur, damit ihr erkennt, welche Macht eure Anmut über edle Herren auszuüben vermag, sondern damit ihr auch daraus entnehmt, wie ihr eure Gunstbezeigungen da, wo es sich geziemt, von selbst gewähren solltet, statt euch vom Glücke leiten zu lassen, welches nicht nach verständiger Wahl, sondern wie es sich eben trifft, in den meisten Fällen ohne jedes rechte Maß seine Gaben zu verleihen pflegt.
    Wisset also, daß in jüngster vergangener Zeit in unserer Stadt ein Mann namens Coppo di Borghese Domenichi lebte und vielleicht heute noch lebt, der sich bei allen eines großen und ehrenvollen Ansehens erfreute und um seiner Tugenden und erlesenen Sitten willen mehr noch als wegen seines adeligen Blutes gefeiert wurde und allgemeinen Ruhmes würdig war. Dieser fand in seinen späten Jahren Gefallen daran, sowohl seinen Nachbarn als auch Fremden oftmals von vergangenen Ereignissen zu erzählen, wie er denn solches geordneter, mit schönen

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