Das Dekameron
Geschichten ersehen kann, die euch schon erzählt wurden. Zu diesen, ihr liebevollen Mädchen, will auch ich noch eine List hinzufügen, zwar von einer einfachen Frau angewendet, aber der Art, daß ich nicht wüßte, wer anders als die Liebe ihr diese hätte eingeben können.
In Arezzo also lebte einst ein reicher Mann, welcher Tofano hieß und eine schöne Frau, deren Name Monna Ghita war, zum Weibe erhalten hatte, auf die er alsbald, ohne zu wissen warum, höchst eifersüchtig wurde. Als es die Frau gewahr ward, verdroß es sie, und nachdem sie ihn mehrmals nach den Gründen seiner Eifersucht gefragt und er keine ändern anzuführen gewußt hatte als ganz allgemeine und belanglose, faßte sie den Entschluß, ihm das Gift wirklich zu reichen, vor dem er ohne Grund solche Furcht hatte.
Sie hatte bemerkt, daß ein junger Mann, nach ihrer Meinung sehr achtbar, sie mit liebendem Auge beobachtete, und fing nun vorsichtig an, sich mit ihm zu verständigen. Schon waren die Sachen zwischen ihm und ihr so weit gediehen, daß nichts mehr übrig war, als mit der Tat den Verabredungen Wirkung zu geben, da dachte die Frau darauf, wie sie auch hierzu Mittel fände. Unter den üblen Gewohnheiten ihres Mannes hatte sie erkannt, daß er an dem Trunke sehr großes Vergnügen fand. Sie fing daher an, ihm diesen nicht allein zu empfehlen, sondern ihn auch gar häufig auf listige Weise zum Trinken herauszufordern. Und das war denn bald so sehr Gewohnheit bei ihm, daß sie ihn fast jedesmal, wenn es ihr genehm war, bis zum Rausche verleitete. Sobald sie ihn aber gehörig betrunken sah, schickte sie ihn zu Bett und fand sich alsdann mit ihrem Liebhaber zusammen, was sie auch später sicher und häufig fortsetzte. Ihr Vertrauen auf die Räusche ihres Mannes war so groß, daß sie nicht allein den Mut hatte, den Geliebten in ihr Haus zu führen, sondern selbst zuweilen einen großen Teil der Nacht in seinem Hause, das von ihrem nicht weit entfernt war, zubrachte.
Indem nun das verliebte Weib in dieser Weise zu leben fortfuhr, bemerkte ihr jämmerlicher Gemahl doch, daß sie bei aller Trinkerei, zu der sie ihn aufforderte, selbst niemals trank. Hieraus schöpfte er Verdacht, es könnte sich so verhalten, wie es ja auch war, daß nämlich die Frau ihn nur berauscht machen wollte, um dann, während er schlief, ihrem Vergnügen nachzugehen. Entschlossen zu erproben, ob dem so wäre, stellte er sich eines Abends, ohne am Tag getrunken zu haben, in Sprache und Benehmen wie der betrunkenste Mensch, der je auf der Welt war. Die Frau glaubte dies, und da sie annahm, daß er nicht mehr zu trinken brauche, um gut zu schlafen, steckte sie ihn schnell ins Bett. Dies getan, eilte sie, wie es schon öfter geschehen war, aus dem Hause zu ihrem Liebhaber, bei dem sie bis zur Mitternacht verweilte.
Als Tofano seine Frau im Hause nicht mehr vorfand, stand er schnell auf, ging zur Tür, schloß diese von innen zu und trat ans Fenster, um sie zurückkehren zu sehen und ihr dann zu zeigen, daß er ihre Künste durchschaut habe. Und so lange blieb er, bis die Frau heimkehrte. Als diese an das Haus kam und sich ausgeschlossen sah, war sie sehr bestürzt und begann zu versuchen, die Tür mit Gewalt zu öffnen.
Nachdem Tofano dies ein Weilchen mit angesehen hatte, rief er hinab: »Frau, du mühst dich umsonst, denn hier hinein kommst du nicht. Geh und kehre dahin zurück, wo du bis jetzt gewesen bist, und sei überzeugt, daß du nicht eher hier hereinkommst, als bis ich dir in Gegenwart deiner Verwandten und Nachbarn die Ehre, die du so sehr verdienst, erwiesen habe.« Nun fing die Frau an, ihn um Gottes Liebe willen zu bitten, daß er so gut sein möchte, ihr aufzutun; denn sie käme nicht von daher, von wo er glaubte, sondern sie habe bei einer Nachbarin gewacht, die in den langen Nächten nicht schlafen könne und sich scheue, allein im Hause aufzubleiben. Ihre Bitten jedoch halfen ihr nichts; denn jener rohe Tölpel war entschlossen, daß alle Einwohner von Arezzo ihre Schmach, welche bis dahin niemand wußte, erfahren sollten.
Als die Frau sah, daß alles Bitten nichts half, nahm sie zum Drohen ihre Zuflucht und sprach: »Öffnest du nicht, so will ich dich zum unglücklichsten Menschen der Welt machen.« »Was kannst du mir schon tun?« entgegnete ihr Tofano. Die Frau, welcher Amor bereits den Geist geschärft hatte, erwiderte ihm aber: »Ehe ich die Schmach dulde, die du mir unverdient antun willst, stürze ich mich in den Brunnen, der hier nahebei ist,
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