Das Dekameron
sie Mittel zu finden, mit ihm zusammenzutreffen und so ihr trauriges Leben zu erheitern, bis ihrem Gatten der Satan aus dem Leibe führe und er zur Einsicht gelangte.
Lange spähte sie, wenn ihr Gatte nicht zu Hause war, bald hier und bald dort an der Mauer umher und entdeckte endlich, daß an einer ziemlich verborgenen Stelle die Wand von einem kleinen Spalt durchbrochen war. Sie schaute hindurch, und obschon sie wenig von dem erkennen konnte, was auf der ändern Seite war, erkannte sie doch, daß sie der Spalt in ein Zimmer sehen ließ, und sprach zu sich selbst: »Wenn dies Filippos, des jungen Nachbarn Zimmer wäre, so hätte ich halb gewonnen.« Und vorsichtig ließ sie nun von einer Magd, die Mitleid mit ihr hatte, danach spähen und erfuhr so, daß der junge Mann wirklich in diesem Zimmer ganz allein schlief. Daher trat sie nun häufiger an den Spalt, warf, wenn sie den Jüngling dort hörte, kleine Steinchen oder Holzstückchen hindurch und fuhr damit so lange fort, bis der Jüngling, um zu sehen, was dies wäre, herantrat. Leise rief sie ihn beim Namen, und er, der ihre Stimme erkannte, antwortete ihr. Da sie nun eine Gelegenheit gefunden hatte, eröffnete sie ihm in kurzen Worten ihr ganzes Gemüt. Der junge Mann, welcher hierüber äußerst erfreut war, sorgte dafür, daß von seiner Seite das Loch größer gemacht wurde, immer jedoch so, daß niemand es bemerken konnte. Hier sprachen sie sich denn häufig und reichten sich die Hände; allein weiter konnten sie bei der strengen Wache des Eifersüchtigen nicht gelangen.
Darüber nahte das Weihnachtsfest, und die Frau sagte zu ihrem Gatten, wenn es ihm gefalle, wolle sie am Morgen des Festtages zur Kirche gehen, beichten und kommunizieren, wie alle übrigen Christen es täten. »Und was für Sünden hast du denn begangen«, entgegnete ihr der Eifersüchtige, »daß du beichten willst?« »Wie«, erwiderte die Frau, »glaubst du, ich sei eine Heilige, weil du mich so eingekerkert hältst? Du weißt wohl, daß ich meine Sünden so gut habe wie jeder andere, der auf Erden lebt; aber dir will ich sie nicht sagen, denn du bist kein Priester.«
Aus diesen Worten schöpfte der Eifersüchtige Argwohn und überlegte sich, wie er wohl erfahren könnte, was für Sünden sie begangen hätte. In der Tat fiel ihm das Mittel ein, wie es ihm gelingen möchte, und er erwiderte, daß er's zufrieden sei; doch solle sie zu keiner ändern Kirche gehen als zu ihrer Kapelle, und zwar morgens ganz früh. Dort solle sie dann bei ihrem Kaplan oder bei einem ändern Priester, den er ihr zuweisen werde, beichten, nicht aber bei einem dritten, und danach solle sie gleich nach Hause zurückkehren. Die Frau glaubte ihn zur Hälfte verstanden zu haben und versprach, ohne mehr zu entgegnen, daß sie es so halten wolle.
In der Frühe des hohen Festtages stand die Frau mit der Morgenröte auf, kleidete sich an und ging in die von ihrem Gatten bezeichnete Kirche. Ebenso stand auch der Eifersüchtige auf und begab sich zur selben Kirche, wo er vor ihr eintraf. Und da er mit dem Kaplan schon verabredet hatte, was er tun wolle, warf er sich schnell eines der Gewänder des Priesters um, das eine große Kapuze mit Backen hatte, wie wir die Priester tragen sehen, zog sich die Kapuze vorn über die Stirn und setzte sich dann im Chore nieder.
Als die Frau die Kirche betrat, ließ sie nach dem Kaplan fragen. Dieser kam und sagte ihr auf ihr Begehren, ihm zu beichten, er könne ihr jetzt nicht die Beichte hören, würde ihr aber einen seiner Genossen schicken. Dann ging er fort und schickte ihr den eifersüchtigen Gatten zu dessen Unstern. Dieser erschien gravitätisch, und obschon es noch nicht heller Tag war und er sich die Kapuze ganz über die Augen gezogen hatte, konnte er sich nicht so verstellen, daß die Frau ihn nicht augenblicklich erkannt hätte. Als diese ihn so sah, sprach sie bei sich selbst: »Gott sei Dank, der ist nun aus einem Eifersüchtigen zu einem Priester geworden! Doch gemach, ich will ihn schon finden lassen, was er sucht.«
Sie tat daher, als kenne sie ihn nicht, und setzte sich sogleich ihm zu Füßen nieder. Der eifersüchtige Herr hatte ein paar kleine Steinchen in den Mund genommen, damit ihn diese etwas im Sprechen hinderten und er von seiner Frau nicht an der Stimme erkannt würde. In allen übrigen Stücken indes glaubte er sich so völlig entstellt, daß er es nicht für möglich hielt, von ihr erkannt zu werden. Als es nun zur Beichte kam, sagte die Frau,
Weitere Kostenlose Bücher