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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Boccacio
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glücklich davongekommen und am Abend bei ordentlichen Leuten gut beherbergt worden. Damm habe ich auch den festen Glauben, daß der heilige Julianus, dem zu Ehren ich jene Gebete spreche, mir diese Gnade von Gott ausgewirkt hat, und ich glaubte, den Tag über eine schlechte Reise zu haben und am Abend kein gutes Unterkommen zu finden, hätte ich sie einmal des Morgens nicht gebetet.«
    Darauf sagte der, welcher ihn gefragt hatte: »Habt Ihr denn auch heute morgen dieses Vaterunser gebetet?« »Gewiß«, antwortete Rinaldo. Der andere aber, der schon wußte, was im Werke war, sprach bei sich selbst: »Du wirst's noch brauchen können, denn wenn uns nichts dazwischen kommt, denke ich, sollst du wohl eine schlechte Herberge haben.« Dann sagte er laut: »Ich bin doch auch schon viel herumgereist, und obgleich ich's oftmals habe loben hören, habe ich niemals gebetet. Dennoch hat sich's noch nie geschickt, daß ich andere als gute Herberge gehabt hätte, und heute abend werdet Ihr ja noch sehen, wer besser herbergen wird, Ihr, der Ihr gebetet habt, oder ich, der ich's nicht getan habe. Freilich bediene ich mich statt dessen des Dirupisti oder des Intemerata oder auch des De profundis, welche, wie meine Großmutter zu sagen pflegte, von ausnehmender Kraft sind.«
    So sprachen sie im Weiterreiten von allerhand Dingen, und jene warteten Ort und Zeit ab, um ihren ruchlosen Vorsatz auszuführen. Als er nun schon spät geworden war und sie über Castel Guiglielmo hinaus eben einen Fluß zu durchqueren hatten, fielen die drei, weil der Ort abgelegen und rings versteckt, auch die Nacht bereits hereingebrochen war, den Rinaldo an, plünderten ihn aus und sagten, als sie ihn zu Fuß und im Hemd zurückließen: »Nun geh und sieh zu, ob dein heiliger Julianus dir zur Nacht eine gute Herberge geben wird. Unser Heiliger wird uns schon eine verschaffen.« Damit setzten sie durch den Fluß und ritten weiter.
    Als Rinaldos Diener seinen Herrn überfallen sah, war er nicht nur zu feige, ihm beizustehen, sondern hatte sogleich sein Pferd umgedreht und im schellsten Lauf nicht eher angehalten, als bis er in Castel Guiglielmo angekommen war, wo er, da es schon spät war, ruhig einkehrte, ohne sich um sonst etwas zu bekümmern.
    Rinaldo, der inzwischen barfuß und im Hemd, wie er war, bei der großen Kälte und bei anhaltendem Schnee nicht wußte, was er tun sollte, fing an, da die Nacht schon herangekommen war und er zitterte und mit den Zähnen klapperte, sich ringsumher nach einem Zufluchtsort umzusehen, wo er die Nacht zubringen könnte, ohne zu erfrieren. Da aber kurz vorher der Krieg in jenen Gegenden gehaust hatte und alles verbrannt worden war, fand er keinen und lief deshalb, von der Kälte getrieben, in vollem Trabe nach Castel Guiglielmo, wo er, wenn es ihm nur gelang, hineinzukommen, durch Gottes Gnade Hilfe zu finden hoffte, wiewohl ihm unbekannt war, ob sein Diener sich dorthin oder an einen ändern Ort geflüchtet hatte. Doch die dunkle Nacht überfiel ihn bereits eine kleine Meile vor dem Burgflecken, und als er hinkam, waren die Tore verschlossen und die Zugbrücken aufgezogen. Trostlos und betrübt sah er sich weinend nach einem Orte um, wo er sich wenigstens ohne einzuschneien niedersetzen könnte, und zum Glück fiel ihm ein Haus in die Augen, das ein wenig über die Mauer herausgebaut war, und er entschloß sich schnell, unter diesem Vorbau den Tag abzuwarten. Dort fand er eine Tür, an deren Schwelle er, obgleich sie verschlossen war, sich auf etwas verrottetem Stroh, das er in der Nähe aufgelesen hatte, niedersetzte, sich bitterlich über den heiligen Julianus beklagte und meinte, das heiße dem Vertrauen, das er auf ihn gesetzt, schlecht entsprechen.
    Der heilige Julianus aber hatte ihn nicht vergessen und bereitete ihm schnell eine gute Herberge. In jenem Ort nämlich wohnte eine junge Witwe, schön von Gestalt wie nur irgendeine, die der Markgraf Azzo wie sein Leben liebte und auf ihren Wunsch hier unterhielt. Diese Witwe nun wohnte in ebenjenem Hause, unter dessen Vorbau Rinaldo sich niedergesetzt hatte. Zufälligerweise war gerade am vorhergehenden Tag der Markgraf in der Absicht, die Nacht bei ihr zu schlafen, dorthin gekommen und hatte sich auf den Abend ein Bad und eine treffliche Mahlzeit bestellt. Als indes schon alles bereit war und die Witwe nur noch auf die Ankunft des Markgrafen wartete, kam ein Diener an das Tor und brachte dem Markgrafen Nachrichten, um derentwillen er sogleich fortreiten mußte. So

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