Das Dekameron
nimmst du denn gar keine Rücksicht auf die Ehre deiner Eltern und auf deine eigene? So willst du denn lieber eine Todsünde begehen und mit dem Menschen hier wie eine Hure leben, als in Pisa meine Frau sein? Wenn der dich einmal satt haben wird, so wird er dir zu deiner größten Schande die Tür weisen. Ich aber werde dich immerdar liebhaben und immer wirst du, selbst wider meinen Willen, die Gebieterin meines Hauses sein. Solltest du denn wirklich um einer so unziemlichen und unmäßigen Lust willen deine Ehre und mich, der ich dich mehr als mein Leben liebe, zugleich von dir stoßen wollen? Trost meines Lebens, ich beschwöre dich, sprich nicht mehr davon und komm mit mir nach Hause. Da ich deine Wünsche jetzt kenne, will ich mich ja von nun an auch recht anstrengen. Darum, mein süßestes Herz, ändere deinen Entschluß und komm mit mir. Seit du mir geraubt bist, habe ich ja keinen frohen Augenblick gehabt.«
Darauf antwortete die Dame: »Um meine Ehre soll sich nur, nun es zu spät ist, niemand mehr kümmern, als ich es selbst tue. Hätten meine Eltern sie lieber im Auge gehabt, als sie mich Euch gegeben! Da sie sich aber damals nicht um meine Ehre gekümmert haben, so denke ich's auch jetzt nicht um ihre zu tun. Begehe ich jetzt, wie Ihr sagt, eine Todsünde, so werde ich schon gelegentlich einmal eine Leben spendende Sünde begehen. Das überlaßt nur mir. Das aber will ich Euch sagen: hier komme ich mir vor wie Paganinos Frau, während ich in Pisa glauben mußte, Eure Hure zu sein, wenn ich sah, wie unsere Planeten nur nach Mondstellungen und geometrischen Berechnungen zusammenzubringen waren. Paganino, der hat mich hier die ganze Nacht im Arm, er drückt und beißt mich, und wie er mich zurichtet, das laßt Euch vom lieben Gott erzählen. Ihr sagt, Ihr wollt Euch anstrengen. Ja, womit denn? Wollt Ihr ihn mit Schlägen auf die Beine bringen, um nach drei Zügen matt zu sein? Ihr seid ja ordentlich zu Kräften gekommen, weil Ihr mich die ganze Zeit nicht gesehen habt. Geht, geht und strengt Euch an, am Leben zu bleiben. Ich glaube wahrhaftig, Ihr wohnt in dieser Welt nur zur Miete, so ausgemergelt und jämmerlich seht Ihr aus. Ich will Euch noch mehr sagen: wenn der mich einmal gehen läßt, wozu er, solange ich nur bei ihm bleiben will, noch keine Lust zu haben scheint, so komme ich darum doch nicht zu Euch, aus dem man mit allem Drücken keine Tasse voll Brühe herausbringen könnte. Zu meinem größten Leiden und Unglück bin ich einmal bei Euch gewesen und werde mir in dem Falle schon anderswo mein Unterkommen suchen. Denn ich wiederhole es Euch: hier haben wir keine Vigilien, und darum will ich hier bleiben. Nun macht aber und geht mit Gott, denn wollt Ihr nicht, so fange ich an zu schreien, Ihr wolltet mich notzüchtigen.«
Aus dieser Rede erkannte Herr Ricciardo wohl, daß keine Hoffnung für ihn sei, und er sah nun endlich ein, wie töricht er gehandelt, bei seiner Kraftlosigkeit eine junge Frau zu nehmen. So ging er denn traurig und betrübt aus jenem Zimmer, gab dem Paganino noch manches gute Wort, das aber zu nichts führte, und kehrte endlich ohne die Frau und ohne jedweden Erfolg nach Pisa zurück. Hier verfiel er vor Betrübnis in solche Torheit, daß er einem jeden, der ihn in den Straßen von Pisa grüßte oder ihn sonst nach etwas fragte, keine andere Antwort gab als diese: »Das arge Ding will keine Feste.«
Es dauerte nicht lange, so starb der Richter. Als Paganino das erfuhr, nahm er die Frau, deren Liebe ihm hinlänglich bekannt war, zu seiner rechtmäßigen Gemahlin, und sie arbeiteten beide, ohne sich um Feste, Vigilien oder Fasten zu bekümmern, solange die Beine sie tragen konnten, und machten sich vergnügte Tage.
Aus diesem Grunde, ihr lieben Damen, bin ich denn auch der Meinung, daß Herr Bernabo in seinem Streit mit Ambrogiuolo das Pferd beim Schwanz aufgezäumt hat.
Die Erzählung hatte der ganzen Gesellschaft so viel zu lachen gegeben, daß keiner war, dem nicht die Kinnladen davon wehgetan hätten. Auch gaben die Damen nun einstimmig dem Dioneo recht und sagten, Bernabo sei ein Tor gewesen. Als aber die Geschichte zu Ende war und das Gelächter nachgelassen hatte, nahm die Königin, die gewahrte, daß es schon spät war, alle ihre Geschichten bereits erzählt hatten und nach der bisherigen Ordnung ihr Regiment ablief, sich den Kranz vom Haupt, setzte ihn Neifile auf und sagte mit lachendem Munde: »Nun, liebe Freundin, sei die Regierung dieses kleinen Volkes in deine
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